Medien
ADN macht das Licht aus
"Schwanengesang" bei Deutschlands ältester Nachrichtenagentur - Der Phönix heißt ddp
Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung verschwindet eines der letzten Logos der DDR. Anfang April geht für Deutschlands älteste Nachrichtenagentur ADN (Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst) "buchstäblich" das
Licht aus. Künftig firmieren alle Meldungen, Korrespondenten-Berichte, Features und sonstige redaktionelle Produkte unter
dem Quellenkürzel "ddp" (Deutscher Depeschendienst). Die Zentrale der News-Firma mit ihrem verschlungenem
historischen Hintergrund ist fortan Unterföhring bei München. Kein Zufall, denn die Agentur gehört zum ProSieben-Konzern
der Leo Kirch-Gruppe mit Sitz in Bayern.
Nach der 1993 treuhandverordneten Fusion der DDR-Staatsagentur mit dem einstigen deutschen Ableger der
amerikanischen UPI hatte sich "ddp/ADN" ein gutes Stück von deutschen Medienmarktkuchen abgeschnitten. Vor allem
Kunden in Ostdeutschland schätzten die professionelle Berichterstattung aus den neuen Bundesländern. Im Westen des
Landes war die Agentur eher bescheiden vertreten, mit Ausnahme des "Parlaments- und Regierungsbüros" zu Bonner
Zeiten. Ende 1998 übernahm die ProSieben Media GmbH das Unternehmen mit dem Ziel, das Print- und elektronische
Nachrichtensegment auszubauen. Die Installierung des hauseigenen TV-News-Sender "N 24" im Jänner dieses Jahres
gehört zum Konzept.
Für ddp-Geschäftsführer Lutz Schumacher (31) gibt es im Jahr 2000 keine Trennung mehr zwischen Ost und West. Die
neue Generation ist am Zug; und "seine Agentur" soll dem allseits gepriesenem Internet-Zeitalter entsprechen. Der
Journalist will ddp zur "modernsten Multimediaagentur Deutschlands" machen. Schumacher war es auch, der den Namen
ADN zu den Akten legte, weil - so die Begründung - dieses Agenturkürzel noch immer (zumindest im Westen) nach
"Sprachrohr Honeckers" riecht. Allerdings ist ADN schon lange nicht mehr die Formation aus DDR-Zeiten, denn von einst
gut 400 ADN-Jornalisten arbeiten heuer noch 20 bei ddp. Die meisten Ex-Staatsredakteure arbeiten derzeit erfolgreich bei
der Konkurrenz.
Und so wird aus dem "Schwanengesang" im ADN zugleich der Phönix aus der Medienasche der Nachwendezeit. Der ddp
will den traditionellen Agenturen wie dpa, den Deutschredaktionen von AFP, AP und Reuters selbstbewußt Paroli bieten.
Neben der Zentrale in Unterföhrung (ein Chefreakteur kommt von ADN) und der Berliner Parlamentsredaktion gibt es
bundesweit 30 Landes- und Regionalbüros. Diese werden verstärkt durch weitere 70 Vertretungen, um das Land
journalistisch "flächendeckend" im Visier zu haben. Insgesamt werden 170 leitende Redakteure, rund 100 feste
Korrespondenten und eine Vielzahl freier Mitarbeiter für ddp tätig sein.
Der ddp-Basisdienst liefert täglich bis zu 400 Meldungen aus dem Inland, Wirtschaft, Kultur und Vermischtes. Hinzu
kommen Schwerpunktdienste mit ebenfalls täglich über 100 Hintergrundberichten und Features. Ferner bietet ddp spezielle
Themendienste für Computer und Telekommunikation, Entertainment, Lifesyle und Frauen - später auch für Wissenschaft,
Gesundheit und Immoblien. Übernommen wird aus ADN-Zeiten der Finanzdienst ADX mit Börsennachrichten. Angeboten
wird neuerdings auch ein digitaler Bild- und Grafikdienst mit fest angestellten Fotografen. Die alte ADN-Fotoagentur
Zentralbild gehört schon seit 1990 zur dpa.
Um sich in den heiß umkämpften Medienmarkt einzuklinken, offeriert die finanzstarkte ProSiebem-Gruppe ein lukratives
Verkaufskonzept. Zwar verzichtet man auf agenturtraditionelle Dienste wie Ausland und Sport, dafür aber dürfen die Kunden
nach ihrer Fasson die Dienste "auswählen". So kann ein Medium für sich ein spezielles Info-Pakt nach regionalen
Gesichtspunkten ordern und bezahlt lediglich dieses Auswahl-Segment. (APA)