Berlin - Das deutsche Bundesland Brandenburg hat die Neonazi-Kameradschaft "Hauptvolk" und deren Untergliederung "Sturm 27" verboten. Im Zuge der Verbotsvollstreckung durchsuchten über 300 Polizisten am Dienstagmorgen insgesamt 41 Objekte im Havelland bei Berlin und in Sachsen-Anhalt.

Dabei seien zahlreiche Dokumente beschlagnahmt worden. "Die verfassungsfeindliche Betätigung der Kameradschaft 'Hauptvolk' und ihrer Untergliederung waren für den Rechtsstaat nicht länger hinnehmbar", erklärte Schönbohm. Die Gruppe habe immer wieder durch Neonazi-Propaganda und Straftaten von sich reden gemacht.

60 Mitglieder

Anfang März hatte bereits Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Kameradschaften "Tor" und "Berliner Alternative Süd-Ost" verboten. Laut Schönbohm bestand die Kameradschaft "Hauptvolk" etwa seit dem Jahr 2000. Sie sei damals aus der rechtsextremistischen Szene im Raum Rathenow/Premnitz entstanden und habe zusammen mit "Sturm 27" zuletzt etwa 60 Mitglieder gehabt. Diese hätten sich durch einheitliche Kleidung deutlich sichtbar gekennzeichnet.

So hätten die Mitglieder Hemden mit dem in altdeutscher Schrift geschriebenen "Hauptvolk" getragen. Der Name "Sturm 27" habe sich an die im Dritten Reich in der Region Rathenow aktive SA-Brigade 27 angelehnt.

Gewalttaten

Wie der Berliner "Tagesspiegel" im Voraus aus seiner Mittwochsausgabe berichtete, verherrlichte die Gruppierung in Publikationen mit Namen wie "Der Landbote" prominente Nazis und agitierte dort gegen Juden. Außerdem sei der Holocaust als "Schwindel" bezeichnet worden. Die Staatsanwaltschaft habe in den vergangenen Jahren fast die Hälfte der Mitglieder mit Verfahren überzogen. Dabei sei es um szenetypische Propagandadelikte und um Gewalttaten gegangen.

Mindestens ein Mitglied von "Hauptvolk" soll laut dem Bericht am Überfall von Neonazis auf einen jungen Linken in Rathenow beteiligt gewesen sein. Die vermummten Schläger hätten im August 2004 das Auto gestoppt, in dem der Linke saß, dann sei er herausgezogen und geprügelt worden.

Neonazis bewachten Asylbewerberheim

Fünf Monate zuvor habe in Göttlin (Havelland) ein Gruppe, darunter Neonazis vom "Sturm 27", mit Eisenstangen und Steinen ein Auto von Linken attackiert. Die Insassen seien mit dem Schrecken davongekommen. Größere Empörung habe es 2002 gegeben, als bekannt geworden sei, dass ausgerechnet "Hauptvolk"-Mitglieder als Beschäftigte einer Sicherheitsfirma das Rathenower Asylbewerberheim bewachten.

Schönbohm betonte, das staatliche Vorgehen gegen Rechtsextreme müsse durch verstärktes demokratisches Engagement in der Gesellschaft ergänzt werden. "Der anhaltende massive Aufklärungs- und Verfolgungsdruck von Verfassungsschutz und Polizei kann rechtsextremistische Strukturen zerschlagen, nicht aber extremistisches Gedankengut in den Köpfen beseitigen", erklärte der Minister. Er appellierte an Politik, Kirchen, Vereine, Schulen und Eltern, ihre besondere Verantwortung wahrzunehmen. Vor dem Verbot der Kameradschaft "Hauptvolk" wurden in Brandenburg nur zweimal Neonazi-Gruppen aufgelöst: 1995 traf es die "Direkte Aktion/Mitteldeutschland", zwei Jahre später die "Kameradschaft Oberhavel". (APA)