
Die plastische visuelle Klarheit dieser Fieberfantasie und die Authentizität der Details stehen in bemerkenswerter Spannung zu ihrer Vieldeutigkeit. Wir beobachten zwar das Scheitern des Projekts Zivilisation, das ein majestätisch indifferenter Strom der Naturgewalten wegspült wie den absurd dahintreibenden Regenschirm. Wir erkennen auch in Fitzcarraldo den Künstler schlechthin, den Homo Faber, der sich immer neu aufrichtet gegen die niederträchtige Bedingtheit, in die er geworfen ist.
Vor allem aber werden wir Zeuge, wie unterschiedliche Träume aufeinander treffen, und wie dabei etwas Nutzloses, aber Sinnvolles, auch etwas sehr Schönes entsteht.
Werner Herzog hat während der Dreharbeiten zu Fitzcarraldo Tagebuch geführt. Ein Mitarbeiter fragt ihn, wofür die Metapher stehe, dass ein Schiff über einen Berg gezogen werde. Er habe, schreibt Herzog, geantwortet, "das wüsste ich nicht, nur dass es eine große Metapher sei. Vielleicht sei es auch nur ein Bild, das in allen von uns schlummere, und ich sei nur derjenige, der ihn mit einem Bruder, den er noch nie getroffen habe, bekannt mache."
Seit über 20 Jahren trage auch ich diese archetypischen Bilder, den zuvor unbekannten Bruder, in mir, seit der Premiere von Fitzcarraldo im Münchner Gloria Kino, vor dem ein paar fröstelnde, protestierende Indios herumstanden. Damals, ich war zwanzig, beeindruckte mich hauptsächlich die exotische Kraftmeierei, die ich in diesem Film fand. Herzog selbst spricht ja gerne vom Filmemachen als einer athletischen Übung.
Heute aber sehe ich einen ganz anderen Film: Wie sanft erscheint mir nun das angeblich stets tobende Raubein Kinski! Und der Augenblick der Kontaktaufnahme mit den Indianern: Welche Zärtlichkeit von dieser ersten Berührung ausgeht!