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APA/dpa/Hirschberger
Schön, wenn Geschwister füreinander da sind. Noch schöner, wenn diese Loyalität auf einmal, ganz plötzlich, überraschend erwacht - und sich das große Geschwisterkind anschickt, die kleinen vor drohendem Ungemach zu bewahren. Die katholische Kirche stilisiert sich derzeit als große, schützende Schwester. Abzuwehren gilt es nicht irgendwelche Ungläubige, sondern die Bildungspolitik der ÖVP. Kardinal Christoph Schönborn fand vor dem Einzug ins Konklave zur Papstwahl noch Zeit, der Volkspartei die Leviten zu lesen: Die geplante Abschaffung der Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze gegen den Willen einer "breiten Mehrheit", an deren Spitze zufällig der Katholische Familienverband steht, sei "schwer nachvollziehbar".

Dabei ist Schönborn natürlich nicht von "Eigeninteressen" geleitet, sondern vom hehren Motiv des "geschwisterlichen Einsatzes für die Mehrzahl der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften, deren schulische Position nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag abgesichert ist". Den Einsatz hätte man sich von der katholischen Kirche in anderen Fällen gewünscht.

Die Regierung will jenen parlamentarischen Abstimmungsmodus, der sich von einer Stabilität versprechenden Maßnahme im Lauf der Zeit zu einem absoluten Blockadeinstrument für Schulreformen entwickelt hat, ersatzlos streichen. Auch die SPÖ war lange Zeit dafür, bis die Sozialdemokraten die Kirche quasi als "Nenn-Geschwister" entdeckt haben. Seither "schützt" man gemeinsam die schulische Zweidrittelmehrheit. Diese Einmischung der Kirche geht aber zu weit. Schönborn sollte "geschwisterlichen Einsatz" lieber dort zeigen, wo es um Berufsverbote für geschiedene Religionslehrerinnen geht, die der Staat bezahlt. Anderenfalls müsste sich nämlich dieser Staat fragen, ob nicht auch das Konkordat ein reformbedürftiges Gesetz ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.4.2005)