Politikerfrauen: Ersatz für das fehlende Königshaus |
Geschlechterpolitik
<i>Politikerfrauen</i>: Nebenjob...Politikergattin
Als Modepuppe für Magazine und Schirmherrin diverser Charity- Aktionen werden sie gerne gesehen. Politikerfrau ist ein Job, den man sich selten aussucht.
Sie freuen sich mit ihren Männern, aber sie ordnen sich nicht mehr bedingungslos
seinem Job unter: die neue Generation der Politikerfrauen. Der Grat ist für sie
besonders schmal. Denn wer Homestorys konsequent verweigert, schlägt sich schnell mit
dem Image der intriganten Einflüsterin herum.
DER STANDARD sprach mit zwei Frauen, deren Männer kürzlich einen großen
Karriereschritt schafften. Eva Steiner, Lebensgefährtin des künftigen SPÖ-Vorsitzenden
Alfred Gusenbauer, sowie Renate Strasser, Ehefrau des neuen Innenministers, sind
überraschend oft einer Meinung.
Den ersten, kleinen Schock erlebte Frau Strasser am Tag der Angelobung ihres Mannes:
In ihrem Wohnblock war nächtens eingebrochen worden. Französische Journalisten
hatten offensichtlich im Altpapiercontainer nach verwendbarem Material über den
ÖVP-Minister gestöbert.
Dieser Übertritt von der Anonymität in die Öffentlichkeit sei für sie nicht einfach
gewesen, gibt die Psychologin zu. Sie hatte ohnehin zwiespältige Gefühle. "Ich habe
mich gefreut und gewusst, dass er es gern macht. Aber dass es gerade in dieser Zeit
und in dieser Konstellation ist, darüber war ich sehr besorgt." Den Freiheitlichen steht
sie reservierter gegenüber als ihr Mann. Ein Gefühl, das offenbar auch der
Bekanntenkreis teilte: "Toll, aber ..." habe die Doppelbotschaft am ständig klingelnden
Telefon gelautet.
Mit ganz anderen Anrufern musste sich Eva Steiner herumschlagen. Die einen haben
sich wie sie bedingungslos mit Alfred Gusenbauer gefreut. Schließlich sei es immer sein
Lebensziel gewesen, SPÖ-Chef zu werden. Aber dann gab es auch noch eine Reihe
anonymer Anrufer, die dem designierten Vorsitzenden der Sozialdemokraten
beispielsweise empfahlen: "Fahr doch auf die Krim, wenn Du dort den Boden so gerne
küsst." "Die wollten Dampf ablassen", nimmt es die freiberufliche Dolmetscherin
gelassen.
Bedroht haben sich beide Frauen nie gefühlt, aber die "provokante Aufdringlichkeit" der
Medien sei anfangs belastend gewesen. Der Wunsch nach Homestories wurde von
beiden kategorisch abgelehnt.
Eigene Meinung ...
Auch öffentliches, soziales Engagement, wie es etwa Christine Vranitzky oder Martina
Fasslabend gerne vorgeführt hatten, liegt ihnen nicht. "Dafür habe ich gar keine Zeit,
schließlich habe ich auch noch eine achtjährige Tochter", sagt Steiner spontan. Und
Strasser sieht sich als Klinische Psychologin für Kinder und Jugendliche ohnehin selbst
beruflich in einem sozialen Feld tätig. Was sie von öffentlichem Keksebacken und
Ähnlichem halten? Strasser winkt ab. Steiner fände es origineller, wenn ihr Mann so
etwas machen würde.
Daheim wird über Politik geredet. Sie äußere sich auch durchaus kritisch zur Arbeit ihres
Mannes, sagt Renate Strasser, was übrigens auch umgekehrt der Fall sei. Politik hie,
Psychotherapie da - zwei nicht gerade verträgliche Berufsfelder. "Ich misch' mich schon
ein, besonders bei heiklen Bereichen wie der Asylgesetzgebung."
Bei den Steiner/Gusenbauers scheint zu Hause hingegen immer politische
Übereinstimmung zu herrschen. Man habe eine ähnliche Sozialisation erlebt. Wobei
Steiner nicht unbedingt dem SPÖ-Rollenklischee von der finanziell unabhängigen,
Vollzeit arbeitenden Frau entspricht. Nach der Geburt ihrer Tochter hat sie den alten
Beruf an den Nagel gehängt und ein Dolmetschstudium begonnen, das noch nicht ganz
beendet ist. Von den fallweisen Jobs, die sie übernimmt, könnte sie nicht leben. "Wir
haben uns das gemeinsam so ausgemacht. Ich sehe die Rollenbilder nicht so, dass jeder
unbedingt berufstätig sein muss. Jeder soll die Wahl haben, es sich selbst einzurichten."
Auch die kinderlose Renate Strasser entspricht nicht dem Klischee der ÖVP ("Frau am
Herd"). Sie ist nicht nur als freiberufliche Psychologin und Psychotherapeutin, sondern
auch als Leiterin eines Schulberatungszentrums beruflich stark eingespannt. Im
Sekretariat des Innenministers stellt man sich nur mühsam darauf ein, dass gemeinsame
öffentliche Auftritte des Ehepaares mit dem vollen Terminkalender der Gattin koordiniert
werden müssen.
Keine Frage, das Privatleben heutiger Politiker ist ein wenig unbequemer geworden. Ein
bis zweimal im Jahr übernimmt Eva Steiner eine Reiseleitertätigkeit, die bis zu einem
Monat dauern kann. Und dann muss auch der Kindesvater einem Teil seiner häuslichen
Pflichten nachkommen.
... trotz alter Vorurteile
Anderes scheint sich nie zu ändern: "Mich schmerzt, dass der Frau eines Politikers
praktisch keine eigene politische Meinung zuerkannt wird", sagt Strasser. "Dass man mit
ihm immer in einen Topf geworfen wird." Ihre größte Angst aber sei, dass es Untergriffe,
Demütigungen und psychische Verletzungen während der Legislaturperiode geben
könnte. "Ich hoffe, dass mein Mann und ich unbeschädigt daraus hervorgehen."
Den aggressiven Ton der politischen Auseinandersetzung kritisieren beide Frauen, wobei
es sich Steiner anmerken lässt, dass dies ihrer Meinung nach keinesfalls die Schuld der
SPÖ ist, Strasser will keine Partei aus ihrer Kritik ausnehmen.
In der Öffentlichkeit werden beide Paare häufig angesprochen - durchwegs freundlich.
Auch Gusenbauers Tochter Selina, die am Lycée fran¸cais unterrichtet wird, trifft derzeit
nur jugendliche Fans ihres Herrn Papa. Wobei Selina zuerst einmal eine grundsätzliche
Frage mit ihrem Vater klären musste: "Was bist Du jetzt eigentlich? Bist Du
Bundeskanzler wie der Viktor Klima?"
Martina Salomon
für Der Standard