Westliche Beobachter sind unschlüssig, was derzeit schlimmer wäre – ein Sturz des Präsidenten und der mögliche Ausbruch eines Bürgerkriegs wie in den 90er-Jahren oder der Fortbestand eines Regimes, das sich anschickt, noch tiefer in den Drogenhandel zu rutschen. Die 1200 Kilometer lange Grenze zu Afghanistan, dem weltgrößten Opiumproduzenten, ist nun weit offen, heißt es in den düstersten Einschätzungen. Mitte April räumten russische Grenztruppen einem Abkommen mit der tadschikischen Regierung gemäß auch den sensibelsten, 200 Kilometer langen Abschnitt der Grenze entlang des Pandsch-Flusses.
Kritischer Fronstaat
Mehr als vier Tonnen Heroin und zwei Tonnen Rohopium fingen die russisch kommandierten Grenztruppen zuletzt jährlich ab. Es war ohnehin nur ein Bruchteil der Drogenmenge, die durch Tadschikistan über die anderen zentralasiatischen Staaten und Russland nach Europa und in die USA gelangt. Tadschikistan ist ein Frontstaat im weltweiten Kampf gegen den Drogenhandel, und viele verdienen am Transit mit. Jetzt führt die Armee im ärmsten zentralasiatischen Staat allein das Kommando über die knapp 12.000 Grenzsoldaten.
Sie gilt trotz erster Hilfe der EU und der USA als völlig überfordert mit dieser Aufgabe. Zudem zahlt Duschanbe und nicht mehr Moskau die Soldaten. Umgerechnet 20 statt bisher 300 bis 500 Dollar im Monat sollen die Grenztruppen erhalten. Die Versuchung, im Drogenhandel mitzumischen, wird also nur größer, sagen Sicherheitsexperten voraus.
Dass das Geschäft mit den Drogen bis in die oberen Etagen des Regimes reicht, hat sich in der Vergangenheit gezeigt. So wurde im Jahr 2000 der tadschikische Botschafter in Kasachstan mit 62 Kilogramm Heroin in seinen Fahrzeugen gefasst; gegen einen früheren Leiter der staatlichen Drogenkontrollbehörde läuft ein Verfahren wegen Korruption und Anstiftung zum Mord.
Stattliche Neubauten und teure Geländewagen auf Duschanbes Straßen zeugen von einem Reichtum, der sich wohl aus dem Drogenschmuggel speist. "Wo sonst kommt das Geld her?", fragen politische Beobachter. Tadschikistan exportiert im Wesentlichen nur Baumwolle und Aluminium. Die Regierung ist nicht in der Lage, die Nahrungsversorgung für sechs Millionen Tadschiken zu sichern und bleibt auf internationale Hilfe angewiesen; eine weitere Million lebt als Gastarbeiter in Russland und schickt ihr Geld nach Hause.
Revolutionsvirus
Emomali Rahmonow hat die Übernahme der Grenzüberwachung als Rückgewinnung staatlicher Souveränität verkauft. Gleichzeitig zieht er unter dem Eindruck des Volksaufstands im Nachbarland Kirgistan die Zügel an. In einem beispiellosen Schreiben forderte das Außenministeriums Botschaften und internationalen Organisationen in Duschanbe auf, ihre Kontakte mit politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Gruppen zu melden. Westliche Finanzhilfe für potenzielle Organisatoren einer Revolution wie in Georgien und der Ukraine will Rahmonow so unterbinden; die wenigen Zeitungen werden gemaßregelt.