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Foto: APA/AFP
José Bové ist eine der wertvollsten Figuren der Globalisierungskritik. Der Hinweis auf das weltweite Bauernsterben und Massenselbstmorde kann gar nicht deutlich genug erfolgen. Wichtig ist aber auch eine korrekte Wortwahl.

Letzte Woche war mit José Bové – praktizierender Bauer, Vorsitzender der Confédération Paysanne, die 28% der französischen BäuerInnen vertritt und Europa-Sprecher von Via Campesina – eines der bekanntesten und kämpferischsten Aushängeschilder der globalisierungskritischen Bewegung in Österreich zu Gast. José stellt die Frage der Landwirtschaft und Ernährungssouveränität in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit der neoliberalen Globalisierung.

Mit vielen anderen setzt er sich für eine kleinteilige, biologische, gentechnikfreie, selbst bestimmte und auf Ernährungssouveränität abzielende Landwirtschaft ein: "Jede Region und jedes Land haben das Recht, sich selbst mit hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen und sich gegen Billigimporte zu schützen", lautet eines der Credos von Bové.

Gerade in (post)industriellen Gesellschaften, die die Landwirtschaft weitestgehend aus dem Blick verlieren, ist dieser Zugang von großer Bedeutung. Denn Ernährung und Landwirtschaft sind nicht alleinige Angelegenheit der BäuerInnen und des Landwirtschaftsministers, sondern der gesamten Gesellschaft. Aus diesem Grund hat sich in Österreich das Agrarbündnis gebildet, in dem nicht nur Berg- und BiobäuerInnenverbände vertreten sind, sondern auch KonsumentInnen-, Umweltschutz-, entwicklungspolitische Organisationen und Attac.

Freihandel fördert Bauernsterben

Die neoliberale Globalisierung hat die weltweiten Strukturen der Landwirtschaft radikal verändert. Die Mischung aus zunehmender Freihandelspolitik bei gleichzeitigen brutalen Exportsubventionen, wie sie von der EU und den USA mit Hilfe der WTO durchgeführt werden, führt zur Zerstörung bäuerlicher Strukturen im Norden und noch mehr im Süden. Durch freien Handel in der Landwirtschaft ist die große Mehrheit der BäuerInnen existentiell gefährdet.

Nur eine kleine oligarchische agrarindustrielle Struktur wird diese Politik überleben und davon profitieren. Das bedeutet einen unermesslichen Verlust an kultureller und ökologischer Vielfalt, an lokalen und regionalen Wirtschaftsstrukturen sowie eine soziale und menschliche Katastrophe riesigen Ausmaßes. Das Bauernsterben in der EU würde durch Freihandel noch beschleunigt werden, und, noch sehr viel schlimmer, ein millionenfaches BäuerInnensterben in den Ländern des Südens bewirken.

In einigen Ländern wie vor allem Indien haben Tausende BäuerInenn damit begonnen, in den Freitod zu gehen, weil sie durch zunehmende Liberalisierung und Industrialisierung keine Lebensperspektive mehr vorfinden. Um auf diese menschliche Katastrophe aufmerksam zu machen, hat sich bei der 5. WTO-Ministerkonferenz der südkoreanische Bauer Kyung-Hae, ebenfalls Mitglied von Via Campesina, vor den Augen der Weltöffentlichkeit das Leben genommen.

Kein Genozid

José Bové argumentiert diese Zusammenhänge trefflich und kämpft seit Jahren gegen diese verheerende Entwicklung. Bové ist auch bekannt für seine sehr provokante Wortwahl und hat dies bei seinem Wienbesuch wieder unter Beweis gestellt, indem er diese Politik mit dem Begriff "Genozid" beschrieb. Auch wenn die Debatte um seine Wortwahl für viele eine willkommene Gelegenheit war, sich nicht mit seinen Argumenten auseinandersetzen zu müssen, muss dieser Vergleich zurückgewiesen werden.

Genozid bedeutet nicht nur das bewusste Ermorden einer ganzen Volksgruppe, sondern ist auch mit vielen historischen Beispielen, wie etwa dem industriellen Massenmord an den Juden und Roma durch das nationalsozialistische Deutschland; die Massentötungen von Tutsis in Ruanda; der türkische Genozid an den Armeniern oder die Dezimierung der Indigenen Lateinamerikas durch die Europäer so eindeutig besetzt, dass das Höfesterben in der EU oder die bewusst in Kauf genommenen Massenselbsttötungen von Bauern in Indien und anderen Ländern zwar unendlich tragisch und verurteilenswert sind, aber dennoch nicht mit diesem Wort bezeichnet werden können.

Diese Wortwahl suggeriert Parallelen, die so nicht gegeben sind. Ein sensibler Umgang mit Geschichte und Begriffen ist für die globalisierungskritische Bewegung von großer Bedeutung.

Abgesehen von diesem Vergleich sind die inhaltliche Analyse von Bové und Via Campesina sowie ihre Leistungen für die BäuerInnen auf der ganzen Welt, für eine naturnahe Landwirtschaft, für gesunde Lebensmittel und die Selbstbestimmung der Menschen von ganz großem Wert.