Diese Regierung ist Geschichte, auch wenn sie sich noch längere Zeit weiterschleppt. Das Experiment der Koalition einer konservativen Partei mit einer Rechtsaußenpartei ist diskreditiert, auch wenn das in der ÖVP niemand (öffentlich) zugeben will. Inzwischen sind aus der Rechtsaußenpartei zwei Rechtsaußenparteien geworden, wobei die eine ihre Grundierung vergeblich zu verbergen trachtet, die andere sie eher herausstreicht. Damit ist das "Modell Schüssel" – eine Koalition unter Einbeziehung einer Rechtsaußenpartei – unbrauchbar geworden. Es ging seinerzeit um Machterringung und Reformen. Jetzt geht es nur noch um Machterhalt.

Während sich diese Regierung nun ihrem Ende entgegenschleppt, ist es an der Zeit, sich den Kopf zu zerbrechen, was wir aus diesem Experiment lernen können und wie es denn im Fall des Falles weitergehen könne. Die wichtigste Funktion von Schwarz- Blau, jetzt Schwarz-Irgendwie, war die Überprüfung der Frage, ob eine von Jörg Haider geführte Rechtspartei regierungsfähig ist.

Die Antwort lautet natürlich "nein". Damit ist nicht alles, was diese Koalition an Reformen oder auch nur halben Reformen durchgeführt hat, als überflüssig oder gar schädlich zu bezeichnen. Aber Schüssels Konzept einer stabilen, auf acht oder zehn Jahre angelegten rechtskonservativen Hegemonie ist durch die Zerfledderung der FPÖ/ BZÖ extrem gefährdet, weil inzwischen fast jeder sieht, dass die Substanz dieses Bündnisses zutiefst unseriös war und ist.

Was oder wer auch immer danach kommt, ob Rot- Grün, Schwarz-Grün, Rot- Schwarz oder Schwarz-Rot, sollte sich an ein paar Konstanten der österreichischen politischen Kultur erinnern:

Erstens: So lästig die sozialpartnerschaftliche Erstarrung zuletzt war – diese Republik funktioniert sehr stark durch Konsens, Kompromiss, Ausgleich. Schüssel hat ein gutes Werk getan, indem er den sozialpartnerschaftlichen Hochmut beschnitt (seine zweite wichtige Leistung war der Nachweis, dass es wurscht ist, ob die Krone für oder gegen etwas ist, solange man sich nicht ins Bockshorn jagen lässt). Aber ein gewisser Grundkonsens darf nicht verloren gehen – angesichts des scharfen Globalisierungswindes.

Der zweite Gedanke, der sich in den letzten Jahren zur Gewissheit verfestigte: Österreich muss sich nicht mehr in allem und jedem an Deutschland messen und orientieren, das strukturell ganz andere Probleme hat, sondern sich umsehen, wie vergleichbare kleinere europäische Länder, etwa die Skandinavier, ihre Modernisierung angehen.

Drittens ist nun hinreichend klar, dass unsere politische und wirtschaftliche Zukunft in den alten Räumen des Ostens und Südostens liegt, wo wir sehr gute Verbindungen haben, auch viel gutzumachen haben, wo aber unsere Partner bereit für einen Neuanfang zu sein scheinen. Es ist daher höchste Zeit nicht nur für "diplomatische Offensiven" (die sind beschränkt wirkungsmächtig) und für wirtschaftliche Anstrengungen (die finden längst statt), sondern für eine ganz massive Mentalitätsänderung in der breiten Bevölkerung, Funktionseliten inklusive. Der "Osten", der "Balkan" gelten immer noch als minderwertig bis gefährlich. Bei allen unangenehmen Erscheinungen – dort liegt unsere wirtschaftliche Zukunft, dort haben wir auch politisch innerhalb der EU eine Rolle, dort liegt ein großer Teil unserer Zukunft. Das muss eine künftige Bundesregierung der Bevölkerung bewusst vermitteln. Auch deshalb ist das "Modell Schüssel" unbrauchbar geworden.

(DER STANDARD, Printausgabe, 26.4.2005)