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Foto: Reuters/Bensch
Ungeachtet der Frage, welche Auswirkungen eine Fernsehkamera auf das Verhalten der Beteiligten im Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre mit Joschka Fischer haben möge: Neu ist jedenfalls, dass die fürs TV vergleichsweise trockene Materie zumindest bei Nachbar Deutschland auf reges Interesse stößt.

Das verleitet etwa www.bild.de zu einer etwas seltsamen Dokumentation vom Tag: "9.56 Uhr: Fischer nimmt Platz am Zeugentisch. Dutzende Kameras um ihn herum, minutenlanges Blitzlichtgewitter. Fischer legt seine Unterlagen auf den Tisch, begrüßt mit einem Kopfnicken einige der Abgeordneten. Der Außenminister wirkt sehr gefasst." Eine halbe Stunde später ist offenbar noch nicht sehr viel passiert, denn: "10.23 Uhr: Gebannt hören die Journalisten auf der Besuchertribüne den Fischer-Aussagen zu." Vier Stunden später wiederum wird am Bild-Urteil bereits eifrig gebastelt: "Immer wieder Erinnerungslücken, immer wieder Hakeleien mit den Fragestellern. Fischer wirkt jetzt müde, angeschlagen, zerknirscht."

Zum Medienspektakel stilisiert, interessiert dergleichen auch im Fernsehen. Der Sender Phoenix überträgt 14 Stunden pro Tag und freut sich über gute Quoten. Entspricht dergleichen nun dem endgültigen Verständnis von Reality-TV? Die Gerichtsshow hat zweifellos ihren Bestimmungsort erreicht. Oder interessieren sich am Ende doch mehr Zuschauer tatsächlich für politische Prozesse, als selbst Programmmacher das für möglich hielten? (prie/DER STANDARD; Printausgabe, 26.4.2005)