"Nach viel versprechendem Beginn wanderten viele der ersten Spezialistengeneration in die USA aus. Erst in den vergangenen Jahren haben Wissenschaft und Gesellschaft erkannt, dass das Abwehrsystem ein ganz wichtiges Organsystem darstellt", erklärte die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie, die Innsbrucker Altersforscherin Univ.-Prof. Dr. Beatrix Grubeck-Loebenstein aus Anlass der Veranstaltungen.
Hintergrund
In Europa arbeiten rund 17.000 Immunologen. Es gibt 28 Fachgesellschaften. Ob Impfungen, Autoimmunerkrankungen wie Gelenksrheuma, Morbus Crohn, Diabetes, Abwehrschwächen, Krebs, Allergien, Psoriasis, Neurodermitis oder Atherosklerose (Gefäßverkalkung) - die Immunologie des Betroffenen spielt immer mit. Das gilt auch für Infektionskrankheiten, bei denen es ja individuell auch darauf ankommt, ob der Betroffene krank wird oder nicht bzw. wie sehr er krank wird.
Internationale Anerkennung
Auch Österreich mischt auf dem Fachgebiet mit. Grubeck-Loebenstein: "Für die Kleinheit unseres Landes haben wir sehr gute Arbeitsgruppen. Es gibt zwar nur ein immunologisches Institut in Wien, aber es existieren in den verschiedensten Fachgebieten Teams, die international anerkannt sind."
Dazu zählen zum Beispiel verschiedene Forschergruppen auf dem Gebiet der Rheumatologie. Andere Teams wiederum untersuchen angeborene Immunschwächeerkrankungen. Sowohl an den Universitäts-Hautkliniken als auch im Bereich der Pathologie beschäftigt man sich immunologischen Fragestellungen, die bis hin zu Allergie- und Krebsimpfstoffen gehen.
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Immunologische Forschung hat in Österreich eine lange Tradition, die bis zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert zurückreicht. "Herausragende Forscher dieser Periode waren Karl Landsteiner, der Entdecker der Blutgruppen und spätere Nobelpreisträger, und Clemens von Pirquet, der Begründer der Allergielehre", erklärte der österreichische Experte und Ehrenpräsident der österreichischen Fachgesellschaft, Univ.-Prof. Dr. Othmar Förster.
Mit dem enormen Aufschwung der immunologischen Forschung seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erwachte auch die Österreichische Immunologie aus einem kriegs- und nachkriegsbedingten Dornröschenschlaf, 1971 wurde die Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) gegründet.
Neue Erkenntnisse
Bahnbrechend waren in den vergangenen Jahrzehnten die neuen Erkenntnisse über die Funktion der Abwehrzellen (T-Zellen, dendritische Zellen) etc. Hinzu kommt, dass praktisch alle neuen Gentech-Medikamente auf der Grundlagenforschung der Immunologen beruhen. Dazu gehören die monoklonalen Antikörper (1975 wurde für sie erstmals ein Produktionskonzept beschrieben) und die vielen Immunmodulatoren. Die "targeted therapy", also die zielgenaue Behandlung von Krebs und Autoimmunerkrankungen erfolgt fast ausschließlich immunologisch.
Forschung in Österreich: Immunologie und rheumatische Erkrankungen
Viele entzündlich-rheumatische Erkrankungen, insbesondere die schwersten und zum Teil tödlichen unter diesen Krankheiten, sind durch Autoimmunität gekennzeichnet, also durch eine Umlenkung der Abwehrvorgänge gegen körpereigene Strukturen. Rheumatologisch-immunologische Forschung an der Medizinischen Universität in Wien, Innsbruck und Graz hat im vergangenen Jahrzehnt vielfältige neue Therapien entwickelt, die das Krankheitsgeschehen unter Kontrolle bringen können.
Allergien Mit Hilfe der genetischen Immunisierung werden neue Impfstoffe zur
Prävention und Therapie von Typ I Allergien im Rahmen eines
FWF-Schwerpunktes "Allergie" entwickelt. Hier sind speziell
Wissenschafter in Salzburg und in Wien tätig. In Salzburg wurde zum
Beispiel ein DNA-Vakzin entwickelt. In Wien geht es um gentechnisch
veränderte Allergene als Impfstoff gegen Allergien. Eine Verminderung der Magensäure kann zur Bildung von
IgE-Immunglobulinen gegen Nahrungsproteine führen und Allergie
auslösen. Dies belegen aktuelle Studien aus dem Team um Univ.-Prof.
Erika Jensen-Jarolim am Institut für Pathophysiologie der
Medizinischen Universität Wien. Eine positive Anwendung dieses
Mechanismus zeichnet sich auch bei Tumorerkrankungen ab. Die
Arbeitsgruppe verfolgt das Ziel, IgE Antikörper aktiv gegen Proteine
an Tumoren zu richten um eine - in diesem Fall erwünschte -
Immunabwehr zu erzielen. Tatsächlich konnte in Mäusen durch
Fütterungen mit dem Brustkrebsprotein Her-2/neu unter gleichzeitiger
Säureunterdrückung bereits IgE gegen Tumorzellen induziert werden. Ob
diese Schluckimpfung das Überleben brustkrebserkrankter Mäuse
verlängern kann, wird derzeit überprüft. Tumorimpfungen bei Kindern Während der vergangenen Jahre wurde das Immunsystem zu einem
Hoffnungsträger in der Krebsbehandlung. Im St. Anna
Kinderkrebsforschungsinstitut in Wien beschäftigen sich das Labor für
Tumorimmunologie und eine ausgegliederte Biotechnologiefirma, die
I-Med Krebsimmuntherapie GmbH, mit der Entwicklung neuer
immunologischer Ansätze zur Behandlung von Krebserkrankungen. Angeborene Abwehrschwäche Mit den angeborenen Störungen der Immunabwehr beschäftigen sich
Fachleute an der Immunologischen Tagesklinik in Wien. Sie
veranstaltet am 29. April einen Tag der Offenen Tür. Immunologie im Alter Die Funktion des Immunsystems nimmt im Alter ab. Folgen sind das
gehäufte Auftreten und der oft schwere Verlauf von Erkrankungen, im
Besonderen Infektionskrankheiten und Tumorerkrankungen, sowie
schlechtes Ansprechen auf Impfungen. Dieses Nachlassen der
Immunfunktion im Alter ist primär auf einen Funktionsverlust der
T-Lymphozyten zurückzuführen. Studien am Institut für Biomedizinische
Alternsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in
Innsbruck haben gezeigt, dass die Zahl der naiven T-Zellen abnimmt,
die der Gedächtnis- und Effektor-T-Zellen hingegen zunimmt. Insgesamt
kommt es zu einem schlechteren Ansprechen auf neue Signale, die zu
einer Abwehrreaktion führen sollten. Impfungen Malaria tötet weltweit jährlich mehr Menschen als jede andere
meldepflichtige Krankheit mit Ausnahme der Tuberkulose. Trotz
jahrzehntelanger intensiver Forschungsarbeit existiert bis jetzt
keine Schutzimpfung. Im Rahmen eines Hertha-Firnberg Stipendiums des
FWF wurde an der Universität Salzburg ein Impfstoff entwickelt, der
im Tiermodell gegen eine Infektion mit Malaria-Erregern kompletten
Schutz erzielt. Auch dabei handelt es sich um einen
Plasmid-DNA-Impfstoff. Am Wiener AKH wird derzeit ein neuer Impfstoffe gegen
Papilloma-Virus-Infektionen erprobt. Er soll Frauen gegen
Genitalwarzen und Gebärmutterhalskrebs schützen. Monoklonale Antikörper Das Institut für Immunologie der Medizinischen Universität Wien
ist weltweit eines der ersten Institute, das sich mit der Technologie
der Herstellung von monoklonalen Antikörper beschäftigt hat und trägt
durch seine Aktivitäten auf diesem Gebiet wesentlich zur
Charakterisierung und Standardisierung von Oberflächenmerkmalen von
Zellen des Immunsystems bei. PNS Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS) sind seltene
Erkrankungen, deren Ursache heute im Wesentlichen aufgeklärt ist:
eine Abwehrreaktion des körpereigenen Immunsystems gegen eine - zu
diesem Zeitpunkt häufig noch unerkannte - Krebserkrankung wird
fehlgeleitet und richtet sich gegen das Nervensystem, wodurch zum
Teil dramatische Symptome (Lähmungen, Sehstörungen) hervorgerufen
werden. Das neuroimmunologische Labor des Klinischen Instituts für
Neurologie der Medizinischen Universität Wien am AKH ist das einzige
Labor in Österreich, wo PNS diagnostiziert und schwerpunktmäßig
erforscht werden. Angewandte Forschung bei Novartis Die Grundlagen für innovative Medikamente gegen
Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungen sollen
biomedizinischen Forschungsinstitut des Pharmakonzerns Novartis
entwickelt werden. Zuletzt wurde dort mit Pimecrolimus ein neues
Arzneimittel gegen die Neurodermitis "erfunden", das bereits weltweit
eingesetzt wird.
(APA)