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Rolf Tophoven leitet zusammen mit Dr. Kai Hirschmann das Institut für Terrorismusforschung & Sicherheitspolitik in Essen.

Foto: archiv/red
derStandard.at: Wie bei Osama Bin Laden tauchen jetzt auch bei al-Zarqawi vermehrt Meldungen auf, der Terrorist sei fast geschnappt worden. Wie glaubhaft sind solche Berichte? Wo vermuten Sie al-Zarqawi?

Tophoven: Meldungen, Zarqawi sei fast geschnappt worden, wie sie jetzt wieder kursieren, tauchen so regelmäßig auf, wie ähnliche Meldungen bezüglich einer Festnahme Osama bin Ladens. Manches daran muss mit Vorsicht gesehen werden. Oft sind dabei auch Spekulationen und Wunschdenken im Spiel. Meldungen über eine vermeintliche Festnahme Zarqawis sind zudem auch eingebettet in eine Art psychologische Kriegführung, um die Terrorszene zu verunsichern.

Denn man muss wissen: Für die Terrorjäger der US-Armee, den US-Geheimdienst und für ihre Verbündeten ist Abu Musa al-Zarqawi die absolute Nr. 1 - für die Fahnder ist er längst wichtiger geworden als bin Laden selbst. Von daher wird alle Energie daran gesetzt, ihn zu fangen. Ich gehe davon aus, dass Zarqawi sich im Irak aufhält; mögliche "Ausweichquartiere" könnte er aber auch im Iran oder in anderen benachbarten Grenzregionen zu arabischen Ländern finden.

derStandard.at: Welche Konsequenzen hätte seine Gefangennahme, sein Tod für den Widerstand bzw. Terror im Irak? Endet sein Kampf mit dem US-Abzug?

Tophoven: Zarqawis Tod oder seine Festnahme hätte enorme kontraproduktive psychologische Wirkung auf den Terror im Irak und darüber hinaus auf die gesamte militante Islamistenszene. Es wäre ein spektakulärer Sieg über den Terror und einen seiner wichtigsten Vertreter, denn Zarqawi ist so etwas wie ein terroristisches Multitalent mit großer Fähigkeit, diverse Terrorgruppen im Irak zu koordinieren.

Ob sein Kampf nach Abzug der US-Truppen endet, ist derzeit schwer zu bewerten. Sicherlich nähme der Terror ab, denn das tägliche Feindbild "US-Truppen und ihre Verbündeten" verschwände aus dem irakischen Straßenbild. Es fehlte dann der direkte Gegner.

derStandard.at: Wie vernetzt ist al-Zarqawis Organisation national und international, insbesondere mit der Al Kaida?

Tophoven: Al-Zarqawi sieht sich als Stellvertreter Bin Ladens auf dem irakischen Schlachtfeld. Er definiert sich als "al Qaida im Irak". Von al Qaida bekommt er Geld, Technik und Ideologie. Er selbst stellt die Fronttruppen, die "Fußsoldaten" des Terrors im Irak, die die jeweiligen Operationen durchführen. Es ist ein "Geschäft" auf Gegenseitigkeit, denn durch al-Zarqawi ist Bin Laden nach dem Verlust der Afghanistan-Basis jetzt im Irak präsent. Darüber hinaus dirigiert Zarqawi die Gruppe Ansar al Islam, die besonders auf dem europäischen Kontinent zunehmend junge Muslime anzusprechen versucht, diese anwirbt und sie in den Irak zum Dschihad gegen die "Ungläubigen" schickt.

derStandard.at: Wie groß ist die Unterstützung al-Zarqawis unter der irakischen Bevölkerung?

Tophoven: Über eine Unterstützung Zarqawis durch die irakische Bevölkerung liegen keine verlässlichen Zahlen oder Angaben vor. Die Mehrheit, auch der Sunniten, wird nach den Jahren der Saddam-Diktatur, auch den Terror der Islamisten ablehnen. Das irakische Volk will endlich Frieden und ein Ende des permanenten Blutvergießens. Aber solange fremde Truppen im Land stehen, wird es den Terroristen immer wieder gelingen, ihre Selbstmordattentate, ihre Anschläge mit Raketen und Bomben als legitimen Widerstand gegen die "ungläubigen Besatzer" zu deklarieren. Man lenkt die Wut der Bevölkerung nach einem Anschlag immer wieder geschickt auf die "Besatzer" und fordert deren Abzug.

(tberg)