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Gründgens im Jahre 1947 als König Ödipus in Düsseldorf (Archivbild)

Foto: APA/Liselotte Strelow
Anpassung oder loyale Widerwilligkeit? Eine Seminararbeit beleuchtet die Rolle Gustaf Gründgens als Generalintendanten des Berliner Staatstheaters. Lag partieller Widerstand vor oder handelte es sich doch primär um Unterordnung unter die NS-Diktatur? Isa Elmani nahm die Kontroverse um Gustaf Gründgens am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien unter die Lupe.

Gründgens' Werdegang

Gustaf Gründgens, einer der ambivalentesten Charaktere der NS-Herrschaft, wurde am 22.12.1899 in Weimar geboren. Er erarbeitete sich seinen Ruhm zunächst als Schauspieler, später als Regisseur an diversen deutschen Kleinbühnen und Kammertheatern. Erst ab 1928 zog es Gründgens nach Berlin, wo Max Reinhardt und Gustav Lindemann zu seinen Lehrern und Gönnern zählten. Bereits 1931 gelang ihm mit "Faust I" als Schauspieler im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, dem bedeutendsten Theater seiner Zeit, der große Durchbruch. In Folge beschied ihm ein Vertrag mit den Preußischen Staatstheatern (Schauspielhaus und Staatstheater unter den Linden) eine gesicherte Zukunft.

Das Berliner Staatstheater

Das Staatstheater am Gendarmenmarkt galt als wichtigstes Theater seiner Zeit. Tietjen, der beiden Preußischen Staatsbühnen vorstand, waren die Hände gebunden, als Göring nach der Machtergreifung die Intendanz durch Hanns Johst und Dr. Johann Ulbrich auswechseln, Reinhards Inszenierungen beenden und den Spielplan komplett umgestalten ließ. 4000 Bühnenkünstler sollten in den kommenden Jahren das Land verlassen, während nunmehr ideologische Stücke wie "Schlageter" samt Horst Wessel-Lied am Programm standen. Mit Gründgens würden diese Stücke zwar nicht vom Spielplan verschwinden, jedoch bewusst in den Hintergrund gedrängt werden.

Gründgens' Ernennung

Obwohl sich Gründgens zum Zeitpunkt der Machtergreifung im Ausland befand, kehrte er nach Berlin zurück - vordergründig um seinen jüdischen Freunden zur Flucht zu verhelfen, wohl aber auch um seine Karriere zu pflegen. Gründgens' Ernennung, von Göring betrieben, bleibt nach wie vor ein Rätsel. Inwieweit Goebbels, Himmler oder sogar Hitler persönlich mit Gründgens verhandelten, darüber kursieren mehrere Versionen, denen der Autor allesamt nachging. Ein Kuriosum bleibt die Ernennung eines mehr oder minder offen homosexuellen, mit Kommunisten sympathisierenden Künstlers sowie dessen freimütige Entscheidung zur Intendanz allemal.

Rücktrittsgesuche

Als nach dem "Röhmputsch" die Stimmung gegen Homosexuelle immer feindseliger, die Kritiken für Gründgens im völkischen Beobachter zunehmend unfreundlicher wurden, entschloss sich Gründgens mehrmalig zu Rücktritt und Exil. Im Spannungsdreieck des Insistierens Görings, des Querulierens Goebbels und der wohlwollenden Duldung Hitlers, vollführte Gründgens einen Spagat zwischen schizophrenem Handeln und mentaler Akrobatik. Göring sollte Gründgens in der Folge, um ihn zu halten, zum preußischen Staatsrat, ab 1937 schließlich zum Generalintendanten machen - wofür ihn Gründgens mit einigen, wenn auch sehr wenigen nationalsozialistischen Inszenierungen - etwa anlässlich des Mussolini-Besuchs - belohnen sollte.

Hilfestellungen

Paradoxer wird die Situation durch die Anzahl der Hilfeleistungen, die Gründgens für jüdische SchauspielerInnen aber auch politische Verfolgte - trotz und wegen seines Status im System - leisten konnte. Gründgens intervenierte offen, verpflichtete jüdische SchauspielerInnen am Theater und entzog sie so und durch direkte Interventionen bei Hitler Verfolgung, Vertreibung und dem sicheren Tod. Auch für politisch Widerständige setzte er sich namentlich mit Rechtsbeistand ein. Isa Elmani - Einzelschicksale aufzählend - zeichnet das Bild eines versteckten Widerstandskämpfers - wenn auch nicht vom Format eines Oskar Schindler. Sind Beihilfen aber Widerstand, wenn zugleich die Selbstdarstellung im System vor allem der Systemdarstellung dient?

Widerstandskonzepte - Resistenz kontra Résistance

Verschiedene Widerstandskonzepte versuchen diese Fragen der Einordnung zu klären. Martin Broszat etwa geht von einem Resistenzbegriff aus, der innere Motive außer Acht lässt, und Resultate der Begrenzung, Eindämmung der NS-Herrschaft in den Vordergrund rückt. Demgegenüber kritisiert E. Köhler die Nähe des Resistenzbegriffs zu dem der Résistance - einer Bewegung, deren Anteilnahme den Tod bedeuten konnte. Wo beginnt Teilopposition, wo beginnt Widerstand, und gibt es einen Zwischenbegriff, der nicht nur die Handlung, sondern auch die Motivation berücksichtigt? Der Ausdruck "Loyale Widerwilligkeit" von Klaus Michael Mallmann und Gerhard Paul, welcher versucht diesem Defizit beizukommen, umschreibt Gründgens' ambivalente Rolle wohl am Treffendsten.

Mephisto oder Schindler ohne Liste

Während Klaus Mann seinen ehemaligen Freund Gründgens als Opportunisten und Handlanger Hitlers verachtete, dieses mit dem "Mephisto" auch gegenüber der Nachwelt festhielt, sehen andere Gründgens' Rolle differenzierter. Zwar Retter von Einzelschicksalen, jedoch mithin kongenialer Inszenator der Nazis - wie diese Diskrepanz in Konzepten des Widerstandes erfasst werden kann, ist bei Isa Elmani nachzulesen.

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