London - Eine Woche vor der Parlamentswahl in Großbritannien ist Premierminister Tony Blair bei einem Fernsehauftritt der Spitzenkandidaten wegen des Irak-Kriegs massiv in die Kritik geraten. In der BBC-Sendung am Donnerstagabend verteidigte der Premierminister angesichts kritischer Fragen des Studiopublikums seine Entscheidung, in den Krieg einzutreten: "Das war eine Situation, in der man nicht einfach auf dem Zaun sitzenbleiben und zuschauen durfte. Ich musste eine Entscheidung treffen, und ich habe eine getroffen." Der Chef der oppositionellen Liberaldemokraten, Charles Kennedy, forderte unter lautem Beifall des Publikums einen Abzug der britischen Truppen aus dem Irak.

In der BBC-Sendung stellten sich Blair, Kennedy und der konservative Oppositionsführer Michael Howard getrennt den Fragen des Publikums. Jeder Politiker hatte eine halbe Stunde Zeit, mit den Wählern zu diskutieren. Eine gemeinsame Diskussion aller drei Spitzenkandidaten hatte Blair abgelehnt.

Applaus und Buh-Rufe

Das Publikum im Studio empfing Blair mit Applaus, aber auch mit Buh-Rufen. Der Premierminister versuchte, die Kritiker des Irak-Kriegs zu besänftigen. Er nehme ihre Argumente ernst und erwarte nicht, "dass jeder hier gleicher Meinung ist", sagte Blair. Argumentative Schützenhilfe bekam er von Oppositionsführer Howard, dessen Partei den Krieg gutgeheißen hatte. Saddam Hussein sei "eine Bedrohung für die Region und eine Bedrohung für den Frieden insgesamt" gewesen, sagte Howard. Er würde den Krieg auch unter den heute bekannten Tatsachen befürworten, sagte Howard.

Liberalen-Chef Kennedy bekräftigte hingegen die ablehnende Haltung seiner Partei gegen den Krieg. "Ich glaube nicht, dass zwei Jahre nach dem Krieg die andauernde Präsenz von Besatzungstruppen den Irakern eine langfristig bessere Lösung bietet. Wir sollten abziehen"

Generalstaatsanwalt zweifelte offenbar zeitweise an Legitimität des Krieges

Ein britischen Medien zugespieltes vertrauliches Schreiben des Generalstaatsanwalts an Premierminister Tony Blair zum Einmarsch im Irak hat den Regierungschef wenige Tage vor der Parlamentswahl erneut in Bedrängnis gebracht. In dem Schreiben vom 7. März 2003 äußerte Generalstaatsanwalt Peter Goldsmith den Berichten zufolge, es sei "unklar", ob die UN-Resolution 1441 wirklich zu einem Einmarsch im Irak berechtige.

Goldsmith sprach sich für zweite Resolution aus

Der sicherste legale Weg sei deshalb eine zweite Resolution, die die Anwendung von Gewalt eindeutig erlaube. Zwei Wochen später schrieb Goldsmith hingegen in einer Analyse für das britische Parlament, eine weitere Resolution sei nicht notwendig. Blair kündigte daraufhin die Veröffentlichung des Schreibens an. (APA/Red)