London - Eine Woche vor der Parlamentswahl in
Großbritannien liegt die Labour-Partei von Premierminister Tony Blair
in Umfragen vorn - doch selbst bei schlechteren Prognosen wäre ihr
der Sieg kaum zu nehmen. Grund ist das britische Wahlsystem, das die
Partei Blairs gegenüber den Konservativen in geradezu verzerrender
Weise bevorzugt. Selbst wenn die beiden großen Konkurrenten
theoretisch den gleichen Stimmanteil erzielen würden, könnte Labour
immer noch den Sieg für sich verbuchen.
Grund dafür liegt im geographischen Zuschnitt der Wahlbezirke
Grund dafür ist der geographische Zuschnitt der Wahlbezirke im
Vereinigten Königreich in Verbindung mit der Bevölkerungsverteilung.
So liegen die starken Bezirke der Konservativen vorwiegend im
bevölkerungsreichen England im Osten und Südosten der britischen
Hauptinsel. In diesen Wahlkreisen sind mit durchschnittlich 70.000
Wählern rund 6000 Berechtigte mehr registriert als in
Labour-freundlichen Wahlkreisen in anderen Landesteilen. Für einen
Sieg in den bevorzugten Wahlkreisen "verbrauchen" die Tories also
relativ mehr Stimmen als die Labour-Partei in ihren Hochburgen.
Rchenbeispiele
Anthony King von der Universität Essex macht die Schieflage an
Rechenbeispielen deutlich: Wenn Tories und Labour in Stimmanteilen
landesweit je 36 Prozent erhielten, würde die Partei von Blair nach
seinen Berechnungen 349 Sitze, die Tory-Partei aber nur 212 im
Unterhaus erhalten. Oder anders: Der Labour-Partei würden für eine
Mandatsmehrheit laut King im Parlament landesweit 29 Prozent der
Stimmen reichen, die Tories müssten für eine Sitzmehrheit aber 41
Prozent der Voten einholen. Die Konservativen sind damit auch Opfer
der Bevölkerungsverlagerung von den Innenstädten in betuchte Vororte,
was konservative Wähler auf relativ wenige begrenzte Regionen
konzentriert. Der aktuelle Zuschnitt der Wahlbezirke erfolgte 1990
durch die damals amtierende konservative Regierung. (APA)