Aber sieht das noch wer? Prag ist "Destination" geworden, und damit hat man's nicht leicht. Prag hat enorme Zuwachsraten, ist bald gleichauf mit Wien, gemessen an der Größe macht es Rom Konkurrenz und erinnert an Venedig. Was sich zwischen der Karlsbrücke und dem Wenzelsplatz abspielt, kann spielend mit dem saisonunabhängigen Gewurl zwischen Rialto und San Marco mithalten.
Wer hier promeniert, scheint allerdings kaum am "Kelch der Nacht" interessiert, zumindest nicht in der Form des Erdtrabanten. Die italienischen Jugend- und Großfamilientrupps - eine der beiden dominierenden Touristengruppen - fotografieren sich vor allem gegenseitig mit Handys und könnten das egal wo genauso gut tun. Die anderen sind die Engländer, meist männlich und meist auf Abenteuer aus, und sie können das billiger tun als daheim.
"Das ist ein wenig das Problem", sagt Klaus Pilz, "die Stadt Prag verkauft sich unter ihrem Wert - langfristig keine gute Strategie." Der Regionaldirektor der Austria-Hotel-Kette in der Tschechischen Republik weiß, wovon er spricht. Letztes Jahr wurde er für seine Bemühungen um einen gehobenen Tourismus mit dem "Hotelier des Jahres" der Nationalen Hotelvereinigung ausgezeichnet. Denn ihm gelingt es, gegen den Trend zur Billigdestination die Stadt als kulturell und architektonisch außergewöhnliche Attraktion vorzustellen.
Intakte Baugeschichte
Das fängt bei den eigenen beiden Häusern an. Das Grand Hotel Bohemia liegt am Rand der Altstadt, ein halb historistischer, halb dem Jugendstil verpflichteter Bau aus den Zwanzigerjahren, aufwändig restauriert, mit 78 Zimmern fast intim anmutend, mit einem wunderbaren Blick von oben und einem kleinen Juwel ganz unten: Im zweiten Kellergeschoß liegt der verschnörkelte Ballsaal Boccaccio, mit seinen diskreten Logen Luxusquartier zunächst der Bourgeoisie, dann der Wehrmacht, dann der KP, nunmehr - ohne Samtvorhänge - ein guter Rahmen für die Konferenzen und Präsentationen, die das Fünf-Sterne-Bohemia anbietet.
Rundherum ist Stadt vom Feinsten: Dass Prag die mitteleuropäische Metropole mit der intaktesten Baugeschichte von Gotik bis Art déco ist, kann der Hotelgast zu Fuß erfahren: vom Stadttor zu den Kirchen und Synagogen, von den Passagen der Neustadt (denen vor Kurzem im Wiener Ringturm eine schöne Ausstellung mit einem verblüffend unbrauchbaren Katalog gewidmet war) zu den stilleren Gassen, die noch anderes bieten als Kristallglas und Marionetten - alles in Reichweite. Direkt vor seiner Nase aber, kaum dass der Gast das Bohemia verlassen hat, steht eines der schönsten Beispiele des Tschechischen Kubismus, einer kurzen (ca. 1910-1920), aber umso prägnanteren Bauperiode, die praktisch nur in der Tschechoslowakei existierte.
Das rötliche Gebäude an der Ecke Celetnà und Ovocný trh mit den charakteristischen würfelförmigen Ausbuchtungen beherbergt im Erdgeschoß eine Galerie zu eben diesem architektonischen Thema und im ersten Stock ein dem Anschein nach sehr gut restauriertes Café. Naturgemäß wird es gern übersehen, daher ist es wenigstens nicht überlaufen wie die meisten Lokale der Gegend.
Wer übrigens mehr von den kubistischen Bauten sehen will, muss eine längere Wanderung quer durch die Neustadt auf sich nehmen, mit der Metro bis zum Karlsplatz oder mit dem Taxi gleich zum Vysehrad-Hügel fahren: In dieser Gegend gibt es noch Villen und Wohnhäuser der Zehnerjahre (die Mehrzahl existieren ja nur mehr als Fotos).
Und etwas weiter im Norden, Moldau-abwärts, tanzt Frank Gehrys Doppelhaus "Ginger & Fred" dem Besucher buchstäblich vor, dass die Stadt auch den Anschluss an die gegenwärtigen Bautrends gefunden hat.
Neue Marmorpracht
Einen in jedem Sinn ganz anderen Blick auf die Stadt hat, wer im zweiten der Austria Hotels absteigt, dem Crown Plaza. Es liegt jenseits des Flusses, hinter dem Hradschin im Botschaftsviertel, an der Gabelung großer Boulevards. Es wurde, was man sofort sieht, noch in der stalinistischen Periode als Repräsentationshaus für die CSSR-Armee fertig gestellt und sieht denn auch aus wie die damaligen sowjetischen Akademien und Lenin-Tempel.
Nicht ganz so groß, aber immerhin: Hoch über dem 14. Stock des zentralen Turms prangte der rote Stern. Heute ist er nicht mehr rot, doch die Restaurierungsarbeiten am Vier-Sterne-Haus haben ansonsten die Marmorpracht ganz sanft ins 21. Jahrhundert überführt. Will heißen: Klimaanlage in allen 240 Zimmern (in der englischen Übersetzung im Katalog sind es interessanterweise 250 ...), Fitnesscenter und Vollverkabelung; dazu 19 Konferenzräume und Platz genug für ein Bankett mit 2000 Gästen.
Ein Besuch lohnt auch bei bescheideneren Vorhaben, wegen des Restaurants oder allein schon wegen des Blicks von der Stern-Warte. Die Terrasse oben, sagt Klaus Pilz, wurde zu Silvester genutzt, man hatte das Feuerwerk auf dem Hradschin in erster Reihe fußfrei und ohne Massenwahnsinn. Das Dach sei ausbaubar zu einem eleganten Treff, einem Klub vielleicht.