Etliche britische Wirtschaftsbosse hoffen auf einen Sieg Tony Blairs und vor allem seines Finanzministers Gordon Brown. Der Grund ist klar: Die Wirtschaft boomt seit einem Jahrzehnt, nach 3,1 Prozent Wachstum im Vorjahr erwartet Brown für heuer wieder drei Prozent. (Deutschland 0,7, Österreich 2,1 Prozent). Mit 4,7 Prozent Arbeitslosen, einem Prozent Inflation und 2,9 Prozent Budgetdefizit stehen die Briten viel besser da als Deutsche oder Franzosen.

Kritiker meinen, Labour habe bloß geerntet, was die Konservative Margaret Thatcher durch ihre radikalen Liberalisierungen und die Zurückdrängung der Gewerkschaften in den 80er-Jahren vorbereitet hat. Doch die Labour-Regierung bemühte sich schon zu Beginn ihrer ersten Amtszeit (1997-2001) um das Vertrauen der Wirtschaft. "Sie hat die Verantwortung über die Geldpolitik den Politikern genommen und der Bank of England übertragen", sagt Iain Begg, Professor am Europa-Institut der London School of Economics. "Und sie ging nicht, wie frühere Regierungen, in die Falle, die Staatsausgaben zu erhöhen."

Erst in der zweiten Amtszeit, nach "Jahren robusten Wachstums", habe der Finanzminister die öffentlichen Ausgaben erhöht (um etwa 100 Milliarden Pfund, 147 Mrd. Euro). Investiert wurde vor allem ins Gesundheitswesen, das zuvor unter dem europäischen Durchschnitt war.

Das hatte auch den "altmodischen Keynesianischen Effekt", die Beschäftigung zu steigern, meint Begg: Aber: "Die Mehrausgaben wurden nicht auf Schulden gemacht." Statt dessen wurden zur Finanzierung die Steuern etwas erhöht. Deutschland könne dagegen wegen des Stabilitätspakts die Staatsausgaben nicht weiter erhöhen; die Arbeitsmarktreformen hätten dort noch keine Wirkung gezeigt. Großbritannien habe zudem viel niedrigere Lohnnebenkosten, betont Begg. "Wegen der geringen Sozialabgaben werden die Leute viel rascher für - relativ schlecht bezahlte - Jobs im Dienstleistungssektor eingestellt."

Dass auch unter Blair die Arbeitsplätze in der Industrie weiter zurückgingen (auf 3,24 Millionen Jobs bei einem Gesamtrekord von 28,2 Millionen Beschäftigten), sieht der Ökonom nicht dramatisch. "EU-weit stellt die Industrieproduktion nur noch ein Fünftel der Jobs." Der Dienstleistungssektor, zu dem auch der hohe Einnahmen schaffende Finanzplatz London gehört, sei zur tragenden Säule der Wirtschaft geworden.

Das Nordseeöl, das heuer sieben Milliarden Pfund in die Staatskasse fließen lässt, bietet nur einen leichten Vorteil. Begg: "Die öffentlichen Ausgaben sind 80-mal so hoch." (Erhard Stackl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.5.2005)