Der Der "eigentliche" Skandal der Republiksfeiern Gastkommentar von Alexander Pollak zur TV-Rede des Bundespräsidenten anlässlich des 60. Geburtstages der Zweiten Republik ("Haben Sie nicht etwas vergessen, Herr Fischer?"), in dem er meint, dass diese Ansprache "zu einem Zeitdokument über die Verdrängungstaktik und Mutlosigkeit unserer politischen Elite im Umgang mit der NS-Vergangenheit geraten ist", war vielleicht gut gemeint, aber das ist bekanntlich meist das Gegenteil von gut.

Es war ein Anliegen des Präsidenten, im Jubiläumsjahr 05 den 60. Geburtstag der Zweiten Republik am 27. April gebührend zu würdigen. Daher hat er eine Gedenkveranstaltung in der Hofburg angeregt und darüber hinaus am Vorabend im ORF eine Erklärung abgegeben, für die 4,5 Minuten zur Verfügung standen.

Wenn Pollak kritisiert, dass in dieser kurzen Erklärung interessante Fragen im Zusammenhang mit den Massenverbrechen der Nazis wie z.B. "Wie kam es dazu? Inwieweit haben die Menschen das verbrecherische System unterstützt? Wer musste mit dem Leben bezahlen und wofür?" nicht beantwortet wurden, dann soll er selbst versuchen diese Fragen in 270 Sekunden, in denen noch dazu andere wichtige Themen untergebracht wurden, zu beantworten. Die wichtigsten Botschaften des Bundespräsidenten in dieser TV-Sendung waren: die Feststellung, dass Österreich im April 1945 befreit wurde und dass die Niederlage Hitlers eine Voraussetzung war für die Gründung der Zweiten Republik; weiters eine Würdigung des Widerstandes gegen Hitler; die Feststellung, dass die Wiedererrichtung der Zweiten Republik auch die Grundlage für den Abschluss des Staatsvertrages war; und ein Dank an die Wiederaufbaugenerationen.

Pollak kritisiert, dass der Bundespräsident von der "Hitler-Diktatur" ohne nähere Spezifizierung sprach. Das ist deshalb unrichtig, weil der Gesamtzusammenhang lautete, dass die Befreiung von der "Hitler-Diktatur" die Voraussetzung für die Wiederherstellung eines selbstständigen und demokratischen Österreich war, und dieser Gedanke ist nicht nur nicht falsch, sondern muss dreimal unterstrichen werden.

Pollak versteht auch nicht wer mit "uns" gemeint ist, wenn gesagt wird, dass die Niederlage Hitlers nicht unsere Niederlage war. Ich finde es eigenartig, dass ein Sprachwissenschafter darüber aufgeklärt werden muss: "Uns" bezeichnet in diesem Zusammenhang selbstverständlich alle, die sich nicht mit Hitler identifiziert haben, die in den Konzentrationslagern, in der Emigration, im Widerstand auf seine Niederlage gehofft haben; mit "uns" sind jene Katholiken, Juden, Kommunisten, Sozialisten, Roma und Sinti usw. - also alle gemeint, die gehofft haben, dass der Schrecken des 1000-jährigen Reiches sobald wie möglich sein Ende finden würde. Ist das wirklich so schwierig zu verstehen?

Pollak alteriert sich auch über einen "undifferenzierten, kollektiven Dank an die Aufbaugeneration". Der Originaltext von Heinz Fischer dazu hat gelautet: "Heute am Vorabend des 60. Geburtstages der Zweiten Republik möchte ich auch ein großes Dankeschön an die Generation unserer Eltern und Großeltern aussprechen." Soll es einem Bundespräsidenten untersagt sein, sich für den Aufbau der Zweiten Republik, die uns 60 Jahre Demokratie und 60 Jahre Frieden gebracht hat, in dieser Form zu bedanken? Kritik ist immer erlaubt. Kritik an der Kritik ebenfalls. Aber den letzten Satz, wonach es Heinz Fischer höchstens "in der Auseinandersetzung mit Holocaust-Relativierern gelungen ist, sich als historisch aufgeklärter Publizist darzustellen", hätte sich Pollak ersparen können. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.5.2005)