Uwe Fischer-Wickenburg

Wien - Auch wenn der amerikanische Softwaregigant in erster Instanz wegen grober Verstöße gegen das US-Kartellgesetz verurteilt wurde, wird sich bei Microsoft vorläufig nicht viel ändern: Das Unternehmen kündigte Berufung an, was eine jahrelange Fortsetzung des Rechtsstreits bedeutet - und für das Unternehmen im Grunde genommen viel besser ist, als wenn es zu einer außergerichtlichen Einigung gekommen wäre. Da Microsoft zu keinerlei Zugeständnissen gezwungen wurde, können die Entwickler in Redmond im US-Bundesstaat Washington wie bisher an ihren Produkten weiterarbeiten.

Ob das gut oder schlecht ist, darin sind sich die Analysten allerdings uneinig: David Yoffie, Professor am Wirtschaftsinstitut der Universität Harvard etwa, sieht in dem schwebenden Verfahren die Gefahr, dass es "die Glaubwürdigkeit des Unternehmens und seine Fähigkeit, Standards in der Branche zu setzen" verringern könnte.

Nicht ohne Explorer

Der Hauptstreitpunkt in den diversen Verfahren rund um den Computerkonzern ist die Integration von Betriebssystem, Anwendersoftware, und vor allem dem Internet. Microsoft hat schon vor Jahren erkannt, dass die Zukunft der Informationstechnologie (IT) in der globalen Vernetzung liegt, sodass praktisch alle Produkte aus diesem Haus in irgendeiner Form mit dem Internet verbunden sind: "Word" und "Excel" sind darauf getrimmt, Dokumente im WWW publizieren zu können, Nachschlagewerke wie Atlanten oder Lexika werden online auf dem aktuellsten Wissensstand gehalten, etc.

Am schlimmsten erscheint den Konkurrenten - und auch dem Gericht - die Einbindung des Internets in das Betriebssystem: Sowohl bei Windows 98 wie auch beim neuen Windows 2000 ist der "Internet Explorer", der eigentliche Stein des Anstoßes - ein fester Bestandteil des Gesamtsystems.

Ein Aufsplitten des Konzerns in drei mehr oder weniger unabhängige Unternehmen, wie es die Kartellbehörden gerne sehen würden, wäre nach Ansicht von Microsoft aus heutiger Sicht unlogisch und stünde im totalen Widerspruch zur heutigen IT-Welt. "Gerade die Integration des Internetzuganges für alle Windows-Anwender hat entscheidend zum Wachstum des World Wide Webs beigetragen", argumentierte auch Microsoft Österreich-Chef Alexander Stüger in einer Stellungnahme zu dem aus seiner Sicht ungerechten Urteil. Und auch Bill Gates zeigt sich optimistisch: "Der Menschenverstand spricht für uns", erklärte er nach der Urteilsverkündung in einem TV-Interview.

Allerdings wird Microsoft jetzt mit einer weiteren Prozesswelle rechnen müssen: Zahlreiche Mitbewerber, die sich durch Microsofts "Monopol-Stellung" unterdrückt fühlten, werden mit dem aktuellen Rechtsspruch unter dem Arm gegen den Branchenriesen zu Felde ziehen.

Pikantes Detail am Rande: Die Firma Netscape, die aus Angst um ihren eigenen Internet-Browser "Navigator" überhaupt die Prozesslawine ins Rollen gebracht hatte, existiert heute nicht mehr, sondern wurde als Teil von AOL und Time Warner selbst in einen Megakonzern integriert.