Heftig unterstützt vom Bundesgeschäftsführer der ÖVP hat kürzlich der Umweltminister seiner Meinung Ausdruck verliehen, die SPÖ wäre fürs Mitregieren ungeeignet. Man kann getrost davon ausgehen, dass sie damit dem politischen Hauptanliegen des Bundeskanzlers entsprochen haben: die SPÖ unter allen Umständen vom Regieren auszuschließen. Darauf gibt es eine ganz pragmatische und von der Realität der letzten fünf Jahre abgestützte Antwort. Regierungsfähig ist, wer eine parlamentarische Mehrheit zustande bringt, nicht, wer den Applaus des politischen Gegners erntet. Im konkreten Fall wird es wohl darauf hinauslaufen, dass die Regierungsfähigkeit der SPÖ vor allem davon abhängt, ob sie als Stärkste aus den nächsten Nationalratswahlen hervorgeht oder nicht.

Der SPÖ wird Pröll mit seiner vorzeitigen Wahlkampftirade nicht schaden. Einer Partei, die die Zweite Republik 55 Jahre lang allein- und mitregiert hat - auch mit Schüssel -, die in den Bundesländern mitregiert und in drei davon den Landeshauptmann stellt, den Bundespräsidenten nicht zu vergessen - einer solchen Partei gleich Regierungsfähigkeit abzusprechen überzeugt höchstens jene Wähler, die Schüssel ohnehin sicher sind, aber nicht einmal jene, die an der Linie der SPÖ einiges auszusetzen haben. Eher stilisieren Pröll und Lopatka die SPÖ damit zur einzigen Partei, die wählen muss, wer meint, Schüssel habe seine Chance gehabt.

Da sind die Grünen von den Wortspenden Prölls weit weniger beglückt. Je klarer wird, dass es mit Schwarz-Blau zu Ende geht und auch ein Ende mit Schrecken nicht auszuschließen ist, desto nachhaltiger versuchen ÖVP-Politiker schon jetzt, den Wählern eine schwarz-grüne Koalition als gewissermaßen vollendete Tatsache zu suggerieren. Dass die Grünen einer solchen Vergewaltigung nicht froh werden, ist verständlich, ein wenig haben sie aber die nunmehrigen Vereinnahmungsversuche durch ihre seinerzeitige Vorschussbereitschaft zum Mitregieren provoziert. Aber leicht verbessert haben sie es sich doch. Noch vor Kurzem propagierte die ÖVP Rot-Grün als das schlimmste aller Übel.

Schüssel mag falsch liegen, wenn er glaubt, die Grünen wären nach den nächsten Wahlen ähnlich leicht zu haben, wie es ihm damals schien. Aber die Bemühungen Alexander Van der Bellens, taktische Äquidistanz zwischen Rot und Schwarz um jeden Preis beweisen zu müssen, erleichtert das nicht gerade. Was die Inhalte betrifft, wird wohl auch der Bundeskanzler erkennen, dass bei allen Differenzen, die zwischen SPÖ und Grünen bestehen, diese beiden Parteien derzeit einander in wesentlichen Fragen - Budgetpolitik, Asylpolitik, Abfangjäger, Schul-und Forschungspolitik, Ortstafeln, um nur einige zu nennen - näher sind, als es die ÖVP den Grünen ist. Ein Schüssel, der Kanzler bleiben will, müsste gewaltige Volten schlagen, um die Grünen von diesem Anliegen zu überzeugen und dies doch halbwegs glaubwürdig erscheinen zu lassen.

Die Freiheitlichen beliebiger Couleur müssen in diesen Wochen erkennen, dass ihr Regierungspartner sie längst abgeschrieben hat. Mit ihnen war keine Wende zu machen, sie haben ihr Kapital von 27 Prozent im Jahre 1999 durch eigenen Wahn und auf klägliche Weise so weit verspielt, dass sie als Mehrheitsbeschaffer nicht mehr taugen. Regierungsfunktionäre von BZÖ und Abgeordnete von FPBZÖ wissen natürlich um ihre Rolle als Auslaufmodelle, und das macht sie als Koalitionspartner auf Abruf noch unberechenbarer, als sie es immer waren.

Ein Jahr vor dem planmäßigen Wahltermin wollen sie auf ihre Einnahmen noch nicht verzichten, aber im ersten Halbjahr 2006 könnte man sich an Schüssel kostengünstig rächen. Zum Glück ist der Kanzler Herr der Lage. Er kann immer noch Michael Häupls Angebot eines Super-Wahlsonntags im Herbst 2005 annehmen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. Mai 2005)