STANDARD: Wie beurteilen Sie den Schulkompromiss?

Riegler: Man wird sich anschauen müssen, was am Feld der Schule nun passiert. Es hätte ja in der Vergangenheit auch etwas geschehen können. Es ist doch ein schlechtes Zeichen, wenn man sagt, die böse Zweidrittelmehrheit hat bisher das Wohl der Kinder und der Schule verhindert. Denn das hieße, dass Kräfte am Werk waren, die nicht für das Wohl der Kinder unterwegs waren, sondern parteipolitische Interessen in den Vordergrund stellten.

STANDARD: Die Zweidrittelmehrheit als Vorwand?

Riegler: Vieles kann man jetzt leichter machen, keine Frage. Bisher lief das teils so kindisch, dass man sich ans Hirn griff - etwa die Umbenennung des Fachs "Leibesübungen" in "Bewegung und Sport" bedurfte der Zweidrittelmehrheit und bekam sie nicht. Dass solche Kinkerlitzchen von der Zweidrittelmehrheit befreit sind, ist schon gut.

Aber unsere große Befürchtung ist, dass bei der Gestaltung der Schule keine maßvolle Langfriststrategie verfolgt wird. Wenn also jede neue Regierung einen neuen Zug auslöst, einmal den Zug nach links, einmal nach rechts, das wäre eine Katastrophe.

STANDARD: Welche Reformen halten Sie für wichtig?

Riegler: Was schnell passieren sollte ist die Klärung des Schuleinstiegs von Kindern, die Defizite haben - etwa mit der deutschen Sprache. Da könnte man im Einstieg viel reparieren. Oder ein anderes Problem: Viele Kinder leiden unter Bewegungsmangel. Eine Aufnahmephase in die Schule, die mit fünf Jahren beginnt, soll klären, ob Kinder Sprachschwierigkeiten haben oder Defizite im körperlichen Bereich. Dann könnte man ansetzen und an Problemen arbeiten, damit zum Schuleinstieg alle am selben Niveau sind.

STANDARD: Sie denken an ein Einstiegsjahr?

Riegler: Da sind wir wieder in der Politik: Eigentlich ist es egal, ob diese Einstiegsphase im Kindergarten oder in der Schule stattfindet. Hinter jedem Modell steht aber jemand: Liegt die Phase in der Kindergartenzeit, zahlen es die Gemeinden, in der Schulzeit zahlt es der Bund. Und genau solche Probleme sind mit dem Fallen der Zweidrittelmehrheit nicht gelöst. (DER STANDARD-Printausgabe, 7.5.2005)