Es gab lange Zeit ein ungeschriebenes Gesetz in Österreich: Gegen die dominante Kronen Zeitung kann man nicht Politik machen. Vor allem SPÖ-Politiker beriefen sich gern darauf, nach dem Motto: Eigentlich wären wir ja für eine humanere Fremdenpolitik - aber leider, leider, die Schlagzeilen des Boulevards zwingen uns Härte auf.

Es zählt zu den Verdiensten von Kanzler Wolfgang Schüssel, diese Mär von der großen politischen Macht des Kleinformats als Schimäre entlarvt zu haben. Er hat sich, gegen den heftigen Widerstand von "besonderer Seite" der Krone, im Jahr 2000 gegen die große Koalition entschieden. Auch drei Jahre später widersetzte sich Schüssel den Farbwünschen - wieder mit dem Effekt, dass die Balkenletternanweisungen verschwanden und das Blatt bald ein anderes Kampagnenthema fand.

Nun geht das Match Schüssel gegen Krone in eine Neuauflage: Seit Tagen schießt das Kleinformat aus allen Rohren, verlangt in Aufmachern, Kommentaren und auf der Leserbriefseite ultimativ eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung. Schüssel scheint auch diesmal wild entschlossen, das Trommelfeuer auszusitzen und sich von seiner Meinung nicht abbringen zu lassen: dass eine Volksabstimmung nicht notwendig ist.

BZÖ-Chef Jörg Haider spricht diesmal in einer Stimmlage mit dem Boulevard. Und das macht für den Kanzler die Causa heikel: Denn auch wenn sich Vizekanzler Hubert Gorbach auffällig deutlich von Haider distanziert - Haider ist der Chef einer Regierungspartei. Ein noch deutlicheres Alarmsignal für Schüssel ist aber die EU-feindliche Grundhaltung, die Haider und Krone in ihrem Drängen auf eine Volksabstimmung offenbaren. Dieses aggressive Wettern von zwei Seiten gegen die "Abschaffung der Demokratie durch Brüssel" kann gefährlich werden - besonders für einen Kanzler, der sich gerne mit einer erfolgreichen EU-Präsidentschaft krönen würde. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.5.2005)