Geschlechterpolitik
Europarat: Vor Gewalt gegen Frauen nicht die Augen verschließen
Jeden Tag wird in den Mitgliedstaaten eine von fünf Frauen Opfer von physischer oder psychischer Gewalt.
Das Ministerkomitee des Europarates ist von den Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung
aus den 41 Mitgliedstaaten aufgefordert worden, ein europäisches Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
zu erarbeiten. Damit soll der stark zunehmenden Gewalt entgegengewirkt werden, denen Frauen in ganz Europa ausgesetzt
sind. Jeden Tag wird in den Mitgliedstaaten eine von fünf Frauen Opfer von physischer oder psychischer Gewalt. In der
Europaratsentschließung heißt es, dass häusliche Gewalt gegen Frauen, obwohl sie eine der am weitesten verbreiteten
Formen ist, weiterhin am wenigsten sichtbar ist. Tradition oder Religion keine Entschuldigung
Es müsse davon ausgegangen werden, dass durch sie jedes Jahr in Europa mehr Frauen den Tod fänden oder schwer
verletzt werden, als durch Krebs oder durch Verkehrsunfälle. Die Versammlung verurteilte am Dienstag, dass es immer
noch Mitgliedstaaten gibt, in denen immer noch Morde an Frauen unter dem Vorwand der Wahrung der Ehre geschehen
und in denen Zwangsehen und andere Formen der Unterdrückung stattfinden. Es werden deshalb Maßnahmen zur
Bestrafung aller kriminellen Handlungen verlangt, die unter dem Vorwand von Tradition oder Religion begangen werden.
Verurteilt wird weiter die Zunahme der Prostitution und des Frauenhandels, die sich zu einem der wichtigsten Bereiche des
organisierten Verbrechens entwickelt hätten. Die Berichterstatterin Ruth-Gaby Vermot-Mangold aus der Schweiz wies bei
ihrer Einführung in die Debatte auf den, wie sie es formulierte, tief greifenden Zusammenhang hin, der zwischen Gewalt,
Gewaltausübung und Ungleichheit der Geschlechter besteht. Wenn den Frauen in Politik, Wirtschaft, und Kirche theoretisch
zunehmend mehr Einmischung und Gestaltungsmöglichkeiten offen ständen, so bleibe ihr Einfluss gegenüber der
männlichen Definitions- und Entscheidungsmacht doch immer noch all zu gering.
Gewaltverbreitung durch das Internet
Beängstigend nannte sie auch die neuen Formen der Gewaltverbreitung durch das Internet. Darstellungen von
pornographischen Handlungen und sexuellen Missbrauch von Kleinkindern, Mädchen und Frauen seien zu einem
blühenden, perversen Marktsegment geworden. In dem zu schaffendem europäischen Programm zur Gewaltbekämpfung
sollte deshalb eine Harmonisierung der Gesetze zum aktiven Vorgehen gegen alle Formen auch der häuslichen Gewalt
erreicht werden. Wichtig sei ferner, überall den Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe sowie einen besseren
Schutz vor gewalttätigen Männern durchzusetzen.
Charta über die häusliche Arbeit
Zur Erreichung dieses Ziels wird auch eine Charta über die häusliche Arbeit vorgeschlagen. Die Mitgliedstaaten werden,
sofern sie dies noch nicht getan haben, aufgefordert, das UNO-Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau umzusetzen und der Europäischen Beobachtungsstelle für Gewalt gegen Frauen eine größere
Rolle zuzuweisen. Hilfreich könne neben einer besseren spezifischen Schulung von Polizisten und Richtern, die mit solchen
Gewaltfällen betraut sind, auch die Einstellung von mehr Polizeibeamtinnen sein. In einer weiteren Entschließung wurden die
Mitgliedstaaten um Durchsetzung der Forderung ersucht, dass Vergewaltigungen in bewaffneten Konflikten unwiderruflich
als Kriegsverbrechen behandelt werden, wie es im Statut des internationalen Strafgerichtshofes vorgesehen ist. (APA)