Aus dem italienischen Stadtbild ist die Vespa nicht wegzudenken. Mit dem Boom der jungen Scooter (rotes Taferl), kommen aber auch bei uns die großen Roller (weißes Taferl) wieder in Mode. So kann man das praktische Gefährt auch in österreichischen Städten immer öfter im Verkehrsgewühl entdecken. Trotz des Hypes wird vergessen, dass der City-Flitzer ein bequemes, wenn auch gemächliches Überlandfahrzeug ist. Beim zehntägigen Selbstversuch, mit einer Vespa PX200E, Baujahr 1979 von Wien über Südtirol nach Vorarlberg zu reisen, werden andere Vespisti nur vereinzelt und im Umkreis größerer Städte gesichtet und freundlich gegrüßt.

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Das Leben ist einsam auf der Landstraße. Der Weg Richtung Vorarlberg führt durch das Meraner Land und den Vintschgau. In vier Tagen wurden Nieder-und Oberösterreich, sowie der Steiermark, Kärnten, Ost- und Südtirol durchquert. Nun erklimmt die Vespa gemächlich den Reschenpass. In breiten Serpentinen führt die Passstraße, vorbei am Reschensee mit dem "versunkenen" Kirchturm, zurück zur österreichischen Grenze

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Am Ende des Tages wird klar, dass andere Fahrzeuge besser für Höhenstraßen geeignet sind. Denn der Arlberg wird, ähnlich dem Katschberg einige Tage zuvor, zur großen Bergprüfung für die Vespa. Der Geruch und die Geräusche, die der tapfere Zweitaktmotor auf dem Weg zum "Dach der Tour" entwickelt, geben zu denken. Hier fährt ein Zweirad im Grenzbereich. Nach einer kurzen Pause werden bei der Abfahrt auch die Bremsen über der Betriebstemperatur beansprucht. Im Tal angekommen, geht es bei Bludenz nach links, um über die letzte Steigung des Tages nach Bürserberg zu gelangen.

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Bürserberg ist eine Streusiedlung, die sich bei Bludenz über den Berghang zwischen 900 und 1250 Höhenmeter verteilt. Die Straße wird immer schmäler und die Kurven immer enger, ehe man vor der Pension Brunhilde steht. Eine große Steintreppe führt hoch zur massiven Eingangstür, an der man von der Frau des Hauses freundlich empfangen wird. Im Eingangsbereich findet sich neben einer Kommode mit Mutter-Gottes-Statue eine kleine Rezeption. Diese ist aber nicht in Verwendung. Die "Geschäfte" erledigt man im Speiseraum.

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Die "Geschäfte" erledigt man im Speiseraum. Es empfiehlt sich, früh um einen Frühstückstisch im Wintergarten zu bitten. Die Plätze dort sind beschränkt und der Ausblick, der sich beim üppigen Frühstück bietet, ist atemberaubend. So schaut man bei guten Sichtverhältnissen bis ins Kloster-, Brandner-, und Walsertal.

Reschensee mit gefluteter Kirche

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Verhältnisse sehr geräumig. Die familiäre Stimmung wird von den meisten Gästen als Hauptgrund für eine Rückkehr auf den Berg genannt. So sucht auch der Vespa-Jockey Abwechslung vom Ritt auf Österreichs Straßen und erkundet die Wanderwege, die von der Pension Brunhilde aus leicht zu erreichen sind. Ein perfekter Ausgleich zur statischen Sitzposition auf dem Roller.

Megalithen-Steinkreis in Bürsenberg

www.buerserberg.at

Als Weg aus dem Ländle wird die vierzehn Kilometer lange Röhre des Arlberg-Tunnels gewählt - zehn beeindruckende Minuten im Bergmassiv. Ab Tunnel-Kilometer zwölf erinnert die Fahrt an eine Sequenz von Kubricks 2001 - Odyssee im Weltall oder den Sprung in die Lichtgeschwindigkeit bei Star Wars. Der wiederkehrende Rhythmus der Beleuchtungskörper, das permanente Dröhnen der Motoren und der sicherlich erhöhte Kohlenmonoxidgehalt der Luft zeigen beim Fahrer Wirkung.

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Nur manchmal sorgen schnell überholende Motorräder für Schockmomente. Es fällt auf, dass die "Rebellen der Landstraße" ihr Image mittlerweile geändert haben. Helm und Lederkombi passen farblich zur Motorradlackierung. Das Gepäck ist in verschließbaren Topcases und Seitenkoffern verstaut. Der Rollerfahrer, mit dem auf den Gepäckträger gebundenen Rucksack, macht nach wie vor auf Landstraßen-Punk. Vespa und Fahrer sind über die Tage zu einem eingespielten Team gewachsen und rollen über die Landstraßen zurück nach Wien, um wieder braver City-Flitzer zu spielen.

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Info
Die Hotels der Vorarlberger Gemeinde Bürserberg bieten aktuelle Frühlingsangebote pro Person und Tag ab 49 €. Der Megalithen-Steinkreis in Bürsenberg ist auch für mystik-skeptische Besucher ein sagenhaft schönes Platzerl.Bürserberg

Fotos und Text: Christoph Tautscher
(Der Standard, Printausgabe 14./15.5.2005)

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