Tyler: "Don't play" (der freie raum für musik 2005)

Foto: derfreieraumfürmusik
Wien - Mittlerweile ist es ja fast schon wieder außergewöhnlich, wenn österreichische Bands englisch singen. Nach dem deutschsprachigen Overkill der letzten Jahre ist das so entspannend wie wohltuend: Kein zwanghaftes Mitsingen oder sich aufdrängendes Analysieren, bis sich jede Songzeile in Wortkrümel zerbröselt, die lätschig und unappetitlich am Gaumen kleben...

Tyler singen also - so weit waren wir schon - englisch. Wütende, zornige aber auch traurige und bedächtige Songs von Liebesqualen und -höhenflügen, vom Streben, Besonderes zu leisten ("Hello") aber auch vom zerplatzten Glauben an die Wahrheit ("Once"). Getragen wird das ausgereifte, runde und gut arrangierte Debütalbum (!), von kräftigem Rock und der bemerkenswert leidenschaftlichen Stimme von Songwriter und Frontman Lukas Hillebrand, die durch alle Geschwindigkeiten und Lautstärken gleichermaßen fetzt wie betört.

Raffiniertes Tempo-Spiel...

In diesem Sinne ist auch der Album-Opener "Separated" zu verstehen: Langsam addieren sich hier die Rock-Ingredienzen um zunächst schnell und ungeduldig, dann wieder in beruhigenden Formeln und verlangsamten Tempo ein fernes Gegenüber zu beschwören: "I’m waiting for the day...when my life and your life align...and the history begins...". Und dann rotzt es wieder laut: "We’re separated... how I hate it you’re not with me."

Das raffinierte Tempo-Spiel durchzieht nicht nur die einzelnen Songs, sondern bestimmt den Rhythmus des ganzen Albums und macht die jungen Tyler so zu Meistern der Geschwindigkeiten: Aufheizen - abkühlen. Kurz, aber kräftig Motor aufheulen lassen und ordentlich Gas geben, um danach sanft den Berg hinunterzurollen ("Beautiful"). Auf wilde, trotzige Songs folgt Zartes (womit das Klischee von Rockern und Balladen auch schon wieder erschöpft ist), das sich sanft steigert und in der bereits 2004 veröffentlichten Single "What's wrong" wieder in einem einen krachigen Höhepunkt entläd. - Und was könnte dabei befriedigender sein, als Agressionen im Refrain "fuck off! get gone. I'm sure you`re not the one. get lost. we are through," lautstark abzuarbeiten: Erprobt an den tückischen Frustelementen "innerstädtisches Verkehrschaos" und "üble Verflossene". Dank Tyler-Tempomat bewahrt die nächste ruhige Nummer das brodelnde Gemüt vorm Überkochen ("Paper mache darts").

...und eigensinnige Extremitäten

Es folgt Nachdenkliches ("Once"), Eingängiges ("Want the Sun"), trotzig Selbstbewusstes ("Can't break me"), das sich wieder über Agressiveres ("Wantcha") bis zu wütender Verzweiflung ("Any City") steigert, sodass sich Extremitäten wieder nicht entscheiden, können ob sie dem Schlagzeug oder den Gitarrenakzenten nachgeben oder doch lieber dem Bass nachspüren. Irgendwann zucken dann selbst die Fingerspitzen und alles will gleichzeitig loszappeln.

Das ist es, was Tyler kann. Versteigen wir uns also nicht in quälenden Fragen, ob mehr "3 Doors Down" oder "Foo Fighters", mehr FM4 oder Ö3, mehr Grunge, Alternative oder Pop. Tyler ist nicht Innovation, nicht Revolution, aber in ihrer Geradlinigkeit für Rockkrauts energiespendend und einfach zu gut, um nur an österreichische Ohren zu dringen. Die Homepage wäre für einen größeren Ausflug bereits gut vorbereitet: Sie ist englisch. (kafe)



* * *


"now i can hear you coming... you're the last one at my parade... barely I hear you are strumming... only now did it fade... want the storm around me... just to feel the calm inside... 'cos sooner or later... I’ll take to the sky." (Can't break me)