Wien - Wenn im Prater wieder die Bäume blühen, schmücken alljährlich auch Werbeplakate das Wiener Stadtbild, die dazu gedacht und geeignet sind, Politiker, Publikum und Medien zu polarisieren. Diese Tradition der Provokation hat auch im fünften Jahr des Bestehens des ach so anrüchigen Festivals Wien ist andersrum ihr Ziel nicht verfehlt. "Nicht gerade das feine Florett", bestätigt Anzettler Jochen Herdieckerhoff, "aber grobe Zeiten verlangen auch den Einsatz entsprechender Werkzeuge." Und wer bei dem Slogan "Jörg ist schwul" automatisch an Kärnten denke, sei selber schuld. Schließlich "heißen einige unserer besten Freunde Jörg", feixt der Veranstalter. Ob er mit diesem seinem aufmerksamkeits- und ablehnungserregenden Stil den Künstlern des von ihm alljährlich mit großem Aufwand zusammengestellten, uferübergreifend hochwertigen Festival-Programms einen guten Dienst erweist, darf diskutiert werden. Die heutige Eröffnungsgala - moderiert von der hanseatischen Trash-Ikone, Fachfrau für Peinlichkeitshöhepunkte des populären Kinos und schusseligen "Inge Meysel des Underground", Emmi Hempel-Berti - bietet einen halbwegs repräsentativen Querschnitt durch den bunten Spielplan der nächsten sechs Wochen: u. a. mit Irmgard Knef, der in Deutschland bereits vielerorts gefeierten, verleugneten Zwillingsschwester der gleichnamigen Hildegard, den Drei Engeln für Charly, die dank Sybille Kos, Susi Stach und Anita Kolbert ihre leibhaftige Auferstehung erleben, und dem musikalisch virtuosen, gepflegten Herz-Scherz-Duo Illie und Bart. Appetitmacher aus ihren jeweiligen Programmen servieren auch das "Theater im 82er Haus Gablitz", das die Geierwally in eine flotte Trashmusical-Travestie-Revue umgearbeitet hat, und die vierköpfige wohltemperierte Wohngemeinschaft der Villa Valium, die ihr frivol-furioses, schwules Volkstheater diesmal an Bord der "Speed-Star XL 13" treibt. Womit für ausufernd amüsante Vielfalt gesorgt sein dürfte. (pb) Metropol, 17., Hernalser Hauptstr. 55, 407 77 407
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