Bereits vergangene Woche hatte die Opposition einen Misstrauensantrag gestellt, der mit 153 gegen 150 Stimmen angenommen wurde. Aber Paul Martin weigerte sich aus formalen Gründen, das Votum anzuerkennen. Darauf boykottierte die Opposition zwei Tage lang den Parlamentsbetrieb in Ottawa. Politexperten halten die Regierung derzeit für nicht funktionsfähig. Martin erklärte nun, er wolle die anstehende Abstimmung über den Bundeshaushalt zur Vertrauensfrage machen. Da im Haushalt Milliardenbeträge an Interessengruppen, Städte und Provinzen verteilt werden, hofft Martin, oppositionelle Parlamentarier auf seine Seite zu ziehen.
Überraschungscoup
Das ist ihm dank massiver finanzieller Zugeständnisse bereits mit der kleinen sozialdemokratischen NDP gelungen. Außerdem konnte Martin am Dienstag in einem politischen Überraschungscoup die prominente Tory-Abgeordnete Belinda Stronach, Tochter des austrokanadischen Industriellen Frank Stronach, ins liberale Lager locken. Stronach, die sich vor 18 Monaten um den Vorsitz der Tories beworben hatte, aber verlor, wurde mit dem Posten der Arbeitsministerin belohnt.
Mit dieser Beförderung hat Belinda Stronach binnen kürzester Zeit eine steile Karriere gemacht. Bis zum Januar 2004 war sie Präsidentin des Autozulieferkonzerns Magna International, den ihr Vater Frank Stronach gegründet hatte. Dann stieg sie überraschend in die Politik ein – gleich ganz oben: Sie bewarb sich um den Tory-Vorsitz, unterlag jedoch ihrem Konkurrenten Stephen Harper.