Bild nicht mehr verfügbar.

Belinda Stronach wird Ministerin in Paul Martins Kabinett

Foto: Reuters/Young
Das Überleben der liberalen Minderheitsregierung Kanadas hängt an einem seidenen Faden. Am Donnerstag stellt Premierminister Paul Martin im Parlament die Vertrauensfrage, die über das Schicksal seines Kabinetts entscheidet. Ein Sturz der seit zwölf Jahren regierenden Liberalen ist gut möglich, da sie nur über 132 der 308 Parlamentssitze verfügen. Auslöser für das Misstrauensvotum ist eine frühere Korruptionsaffäre, in die die Liberale Partei verwickelt war.

Bereits vergangene Woche hatte die Opposition einen Misstrauensantrag gestellt, der mit 153 gegen 150 Stimmen angenommen wurde. Aber Paul Martin weigerte sich aus formalen Gründen, das Votum anzuerkennen. Darauf boykottierte die Opposition zwei Tage lang den Parlamentsbetrieb in Ottawa. Politexperten halten die Regierung derzeit für nicht funktionsfähig. Martin erklärte nun, er wolle die anstehende Abstimmung über den Bundeshaushalt zur Vertrauensfrage machen. Da im Haushalt Milliardenbeträge an Interessengruppen, Städte und Provinzen verteilt werden, hofft Martin, oppositionelle Parlamentarier auf seine Seite zu ziehen.

Überraschungscoup

Das ist ihm dank massiver finanzieller Zugeständnisse bereits mit der kleinen sozialdemokratischen NDP gelungen. Außerdem konnte Martin am Dienstag in einem politischen Überraschungscoup die prominente Tory-Abgeordnete Belinda Stronach, Tochter des austrokanadischen Industriellen Frank Stronach, ins liberale Lager locken. Stronach, die sich vor 18 Monaten um den Vorsitz der Tories beworben hatte, aber verlor, wurde mit dem Posten der Arbeitsministerin belohnt.

Mit dieser Beförderung hat Belinda Stronach binnen kürzester Zeit eine steile Karriere gemacht. Bis zum Januar 2004 war sie Präsidentin des Autozulieferkonzerns Magna International, den ihr Vater Frank Stronach gegründet hatte. Dann stieg sie überraschend in die Politik ein – gleich ganz oben: Sie bewarb sich um den Tory-Vorsitz, unterlag jedoch ihrem Konkurrenten Stephen Harper.

Belinda Stronach war eine leicht dissidente Stimme unter den Konservativen gewesen. So machte sie vergangene Woche deutlich, dass sie den Zeitpunkt für Neuwahlen, die die Konservativen so schnell wie möglich wollen, nicht gut findet. Die zweifach geschiedene Mutter zweier Kinder (ihr zweiter Ehemann war der norwegische Eisschnellläufer und Olympiasieger Johann Olav Koss) setzte sich auch für die Homosexuellen-Ehe und den Schwangerschaftsabbruch ein, ein Affront gegen die konservative Agenda. Es waren solche Differenzen, die wesentlich bei ihrem Übertritt zu den Liberalen mitgespielt haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.5.2005)