Wien - "Ein Durchbruch ja - aber auch der Anfang eines noch größeren, bevorstehenden Durchbruchs", so kommentierte der Genetiker Erwin Heberle-Bors vom Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Wien die heute, Donnerstag, gemeldete Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes den amerikanischen Wissenschafter Craig Venter. Denn mit der Entschlüsselung hat man zwar das Wissen über die genaue Zahl und die Anordnung der Gene, kennt aber noch nicht deren Funktion. Bisher wissen die Wissenschafter zu rund zehn Prozent, was die einzelnen Gene bewirken. Durch die Kenntnis des gesamten Genoms wird die Funktionsanalyse auf jeden Fall beschleunigt, so der Genetiker. Denn jetzt erst macht die Methode der sogenannten Genom-Forschung Sinn. Dabei werden ganze DNA-Stränge auf einen Chip aufgebracht und anschließend mit bestimmten Zellen oder Geweben in Kontakt gebracht. Jene Gene, welche in diesen Zellen oder Geweben natürlicherweise aktiv sind, produzieren bei der Proteinsynthese RNA-Stücke, gleichsam Negative der Gene auf der DNA. Als Negative docken diese RNA-Stücke auch an die DNA auf dem Chip an, über einen gentechnischen Trick werden diese Andock-Stellen zum Leuchten gebracht. Mit dem Mikroskop untersuchen die Wissenschafter anschließend den Chip und können so genau sagen, welche Gene in welchem Gewebe aktiv sind, sie erhalten eine sogenanntes Expressionsprofil. Dabei sind vor allem auch Vergleiche zwischen gesundem und krankem Gewebe möglich, krankmachende Gene können aufgespürt und möglicherweise in einem weiteren Schritt ausgeschaltet werden. Die Wissenschafter müssen aber auch noch die biochemische Bauanleitung des Großteils der menschlichen Gene aufspüren. Dazu werden etwa einzelne menschliche Gene in Mäuse eingeschleust. Dann wird beobachtet, was mit den Tieren geschieht. So entstand auch die Alzheimer-Maus, welche ähnliche Symptome zeigt wie ein menschlicher Alzheimer-Patient. Daneben gibt es noch eine weitere Möglichkeit, der Funktion von Genen auf die Spur zu kommen. "Für viele Erbkrankheiten ist bekannt, wo entsprechende Fehler auf den Chromosomen - die mehrfach aufgewickelte, verdichtete DNA - lokalisiert sind", so Heberle-Bors. Kennt man nun die genaue Sequenz der Gene, kann man durch die bekannte Stelle auf den Chromosomen den Ort des verursachenden defekten Gens auf rund zehn Gene einschränken. Die weitere Untersuchung ist dann relativ einfach. Wie die Sache weitergeht, vor allem wie weit erkannte gen-bedingte Krankheiten auch geheilt werden können, wird laut Heberle-Bors auch von der ethischen Akzeptanz der Forschung abhängen. "Ich persönlich bin dagegen, dass man - zu welchen Zwecken auch immer - gentechnisch veränderte Menschen produziert", betonte der Genetiker. Um Gendefekte zu bekämpfen gebe es andere Möglichkeiten, etwa den Einsatz von entsprechenden Medikamenten. (APA)