Gerhard Schröder wollte die regulär angesetzte Wahl 2006 mit der Fußball-WM gewinnen. Daraus wird nun nichts, weil er sich entschlossen hat, schon in diesem Herbst wählen zu lassen. Aller Voraussicht nach hat hier eine der metapolitischen Strategien des deutschen Kanzlers versagt bzw. kann gar nicht zum Einsatz kommen.

Schröder hat sich zweimal durch entschlossene, meisterhaft kommunizierte Kanzlerdarstellung gerettet. Einmal durch sein ungemein populäres, aber auch sehr gekonnt präsentiertes "Ohne mich" beim Irakkrieg der Amerikaner; dann durch sein emphatisches Auftreten bei der großen Flut.

Die Fußball-WM sollte den Hattrick bringen, aus nahezu aussichtsloser Situation den Turnaround zu schaffen, indem man sich als kleineres Übel präsentiert: Der Gerd kann es ja doch besser als diese CDU-Truppe.

Damit hätte überspielt werden sollen, was die Wahrheit der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder ist: Dieser moderne sozialdemokratische Politiker hätte die Chance und die Aufgabe gehabt, eine Politik zu entwickeln, damit die deutsche Sozialdemokratie und Deutschland selbst den großen Wandel überstehen kann, der durch die Globalisierung, den "Kapitalismus total global" , das immer schnellere Wegbröckeln der industriellen Basis, durch die Überdehnung des Sozialstaates erzwungen wird.

Diese Chance und Aufgabe hat Schröder nicht bewältigt. Vielleicht kann das auch gar niemand. Aber Schröder hat es zu wenig ernsthaft versucht. Als 1998 eher Kohl abgewählt als Schröder gewählt wurde, hatte die SPD keinen Plan.

Das heißt, Oscar Lafontaine hatte schon einen: Konjunkturankurbelung durch staatliche Ausgabenerweiterung, zu finanzieren durch höhere (Unternehmens-)Steuern. Schröder hatte keinen Plan, außer, dass gut für Deutschland ist, was gut für VW (und andere Großkonzerne) ist; und dass er, Schröder, die Unternehmen und Gewerkschaften am runden Tisch zusammenführen werde.

Schröders damaliger Kanzleramtschef Bodo Hombach, heute WAZ- Konzernmanager, hatte eine Reform des Arbeitsmarktes entworfen. Aber das war dem Chef zu kleinteilig-kompliziert. Schröders Vorteil war, dass Lafontaines Plan unter den Bedingungen der Globalisierung undurchführbar war; Schröders gravierender Nachteil war, dass die Situation nicht nach einem telegenen Moderator, sondern nach einem Durchsetzer harter Reformen verlangte.

Die rot-grüne Regierung war 2002 eigentlich erledigt. Der Irakkrieg und der Mangel an Akzeptanz für den bayrischen Kanzlerkandidaten Stoiber retteten sie. Dann wollte Schröder echt Reformen machen. "Hartz" wurde geboren, im Kern eine dramatische Verschlechterung für Arbeitslose, mit denen sie zur Annahme jeder Arbeit gezwungen werden sollten. Aber "Hartz" ist eine "gigantische politische Fehlkonstruktion" (Der Spiegel). Sie schafft keine Arbeitsplätze, nur Bürokratie, und kostet Unsummen, sodass das Budget gefährdet ist.

Damit ist das Kernstück von Schröders wichtigstem Reformwerk "Agenda 2010" gescheitert. Die sollte aber Deutschland aus der wirtschaftlichen Misere herausholen. Was bleibt da noch für Schröder?

Die Flucht nach vorn in Neuwahlen. Möglich, dass er mit diesem Verzweiflungsschlag die rot-grüne Regierung und sich selbst noch retten kann, wahrscheinlich ist es nicht. Ob es eine CDU/FDP-Regierung besser kann, ist keineswegs sicher. Aber Schröder hat seine Chance wohl verspielt. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.5.2005)