Forschung & Geschlecht
Wer frauenforscht, lebt gefährlich
Feministische Wissenschafterinnen diskutierten bei einem Hearing in der Uni Wien die Zukunft der Frauen- und Geschlechterforschung. Anlass waren die Abschaffung des Frauenministeriums und die Kürzung der Uni-Budgets.
Wien – Ein “veritables Skandalon” sieht Herta Nagl, Professorin für Philosophie
an der Uni Wien, in dem Verzicht der neuen Regierung auf eine Frauenministerin. Frauenagenden ressortübergreifend zu behandeln, lasse das Wesentliche außer Acht: “Es gibt
nicht nur das biologische, sondern auch das sozial definierte Geschlecht. Wenn die
Politik das nicht hinterfragt, verstärkt sie die Einzementierung des
traditionellen Frauenbilds und die alten Benachteiligungen.” Vor diesem Hintergrund
fragte Mittwoch Abend in der Uni Wien ein ganzer Saal voller Wissenschafterinnen
bei einem Hearing: “Sind die feministische Forschung und Lehre in Gefahr?” Ohne staatliche Förderung geht’s nicht
Mit einem eindeutigen JA antwortete Zeitgeschichte-Professorin Edith Saurer (Uni Wien). Bisher habe
es der
Staat als seine Aufgabe angesehen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben,
unter anderem durch die Vergabe von Forschungsaufträgen an feministische Wissenschafterinnen
durch das Frauenministerium. Das sei nun vorbei. Feministische Forschung und
Lehre könnten aber ohne staatliche Förderung nicht auskommen, da sie größtenteils
von externen Wissenschafterinnen und Lektorinnen geleistet werden. Und weil nun auch noch
die Uni-Budgets gekürzt würden, werde vermutlich zunächst an den Externen gespart.
Die Freien führten aber ohnehin schon eine “prekäre soziale und finanzielle Existenz”,
ergänzte Monika Bernold, selbst freie Lektorin. Bislang hätten sie versucht, sich durch
intelligentes Networking zu stärken, etwa durch die Gründung von Vereinen. Aber auch
die würden nun wieder hart getroffen, wenn sie etwa – weil per se regierungskritisch –
nicht mehr in den Genuss des begünstigten Posttarifs kämen.
Gabriella Hauch, ebenfalls Externe, stellte lakonisch fest: “In Wirklichkeit ist
die feministische Forschung seit ihrem Bestehen in Gefahr.” Und bis heute ungeliebt.
So hätten sich die Wissenschafterinnen seit 1994 bemüht, ein Graduiertenkolleg zu
Frauen- und Genderforschung zu schaffen und einen entsprechenden Antrag beim FWF eingereicht.
Trotz positiver internationaler Begutachtung sei der aber im letzten Herbst abgelehnt worden.
Inzwischen habe der FWF mitgeteilt, man solle den (unveränderten) Antrag noch einmal einreichen
und bekäme diesmal andere Gutachterinnen. Das verstehe, wer will.
Erziehungswissenschafterin Maria Wolf wiederum, die an der Uni Innsbruck gerade eine
Koordinationsstelle
für Frauenforschung eröffnet hat, hegt noch Hoffnung. Sie hat einen Wahlfachstudiengang
“Feministische Erziehungswissenschaften” beantragt, eingereicht ist das Projekt, die Umsetzung
hängt allerdings wieder einmal vom Budget für die Externen ab.
Eine Hiobsbotschaft brachte Susanne Dermutz aus Klagenfurt mit. “Der bisherige Studiengang
Pädagogik und Geschlechterforschung wurde im neuen Studienplan komplett gestrichen. Damit sind wir praktisch auf das Niveau von vor 15
Jahren zurückgefallen.”
Das mangelnde Problembewusstsein bei den Professoren und die Fortschreibung des
Althergebrachten
führt sie auf “Leichen im Keller” zurück.
Wie diese Untoten immer wieder die Köpfe recken, veranschaulichten Diskutantinnen anhand von zwei
kolportierten Professoren-Zitaten: “Frauenförderung entspricht
dem Arierparagraphen” und “Geschlechterförderung könnte man auch als Rassenförderung
betrachten”.
Trotzdem haben die Klagenfurter Forscherinnen ein Rahmenkonzept für ein neues Studium
ausgearbeitet. Was fehlt, sind – man ahnt’s - die Ressourcen. “Geld gibt es zwar genug”,
sagt Dermutz, aber es wird lieber in die Wirtschaft und Technik gesteckt.”
Gegenwartskunst nicht einmal erwähnt
Auch Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat von “der Angewandten” in Wien sieht an
ihrer Universität feministisch inspirierte Gegenwartskunst aufs stärkste gefährdet:
“Kunststaatssekretär Franz Morak hat die Gegenwartskunst bisher nicht einmal erwähnt.”
Umsomehr, ist Tugendhat überzeugt, sollten Kunst- und Kulturwissenschafterinnen Widerstand leisten
– nicht
nur gegen die gegenwärtige Regierung, sondern auch, indem sie fragen: “Was ist da vorher
schon alles unterlassen worden, dass der Verzicht auf ein Frauenministerium nicht einmal
als Verlust empfunden wird?”
Weißbuch für Frauenförderung
“Wer frauenforscht, lebt gefährlich – das hat eine lange Tradition”, sieht auch
Eva Kreisky, Wiener Professorin für Politikwissenschaften, die Wurzeln der Misere in der
Vergangenheit. Immerhin aber habe Ex-Wissenschaftsminister Caspar Einem
zuletzt zur Erarbeitung eines Weißbuchs für Frauenförderung eine Reihe von Frauengruppen
herangezogen und ihre Ergebnisse respektiert. Wie es jetzt mit der Umsetzung des (noch
nicht veröffentlichten) Weißbuchs weitergehe, hänge von der neuen Wissenschaftsministerin
Gehrer ab. Die Frauenforscherinnen selbst wollen inzwischen prophylaktisch einen “Thinktank bilden
und ihre Analysefähigkeit mobilisieren, um kostenorientierte Scheinargumente aufzudecken,
die in Wirklichkeit nur kritische Ansätze unterbinden wollen.”
Gehrer, terminlich verhindert, hatte eine Grußadresse geschickt und versprach, “die
Bemühungen um mehr Geschlechterdemokratie fortzusetzen.” Die Unifrauen wiederum versprachen,
die Ministerin beim Wort nehmen zu wollen.
Inzwischen setzen sie auf Gabriele Moser, die Vizerektorin für Personal und Frauenförderung an der
Uni Wien. Moser kündigte die Einrichtung eines
eigenen Zentrums für Frauenförderung mit drei Planstellen an. Ihr Ziel: die
Frauen- und Geschlechterforschung sukzessive in alle Disziplinen zu integrieren. Zugleich versprach
sie Ingvild
Birkhan, der Leiterin des Projektzentrums Frauen- und Geschlechterforschung an der Uni Wien, sie
bei der
Forderung nach einem entsprechenden Forschungsschwerpunkt zu unterstützen. Schließlich will
Moser auch noch bei den Förderfonds durchsetzen, dass eigene Töpfe für Frauen- und
Genderforschung
geschaffen und in den anderen Disziplinen Quoten eingeführt werden.
Heide Korn