Grafik: MA46/DER STANDARD

Der neuralgische Punkt des Radwegs Alserbachstraße: Mitten zwischen den Kfz-Abbiegespuren vorbei an der ehemaligen Markthalle zur Kreuzung Nußdorfer Straße.

Foto: STANDARD/Fischer
Wer die stark frequentierte Alserbachstraße mit dem Rad befahren möchte, kann sich zwar auf einen durchgehend markierten Schutzstreifen verlassen. Den Tücken des Verkehrs ist man dennoch binnen kürzester Zeit ausgeliefert.

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Montagmorgen, kurz vor halb acht. Die Ampel steht auf Rot. Noch bleibt Zeit für die letzten - mentalen - Vorbereitungen. Im Geiste wird die Strecke noch einmal durchgegangen. Nur nicht zu schnell losfahren, sonst hat man gleich einen schlechten Einstand. Auch nicht zu weit abdrängen lassen. Bleib auf Kurs, auf deiner Spur. Und bitte, keine riskanten Überholmanöver. Es könnten deine letzten sein ...

Fahrradfreundlicher Ampeltakt

So ähnlich spielt es sich wohl im Kopf eines jeden Radfahrers ab, der auf das Startsignal bei der Einfahrt in die Alserbachstraße auf Höhe der Friedensbrücke (1) wartet. Denn vor einem liegt eine Radstrecke, die ihrem Benützer alles abverlangt: Kondition, Wagemut, Durchsetzungsvermögen, höchste Aufmerksamkeit und eine gehörige Portion Schneid. Und stehen die Ampeln einmal auf Grün, gibt es auch kein Zurück mehr: Man wird förmlich in den auf den ersten Metern leicht abfallenden Straßenzug hineingezogen. Was natürlich auch für die Strecke spricht. Der fahrradfreundliche Ampeltakt garantiert eine rasante Fahrt ohne Unterbrechungen, vorbei an so verkehrsintensiven Zonen wie dem Julius-Tandler-Platz (2) oder der ehemaligen Markthalle (3) bei der Kreuzung Nußdorfer Straße. Und ehe man sich versieht, strampelt man schon die letzten zweihundert Meter, wenn auch bergauf, seinem Endziel "Gürtelradweg" (4) entgegen. So weit, so gut.

"Kottan-Effekt"

Was einem jedoch auf dem 1230 Meter langen, eigens für den Radverkehr markierten Schutzstreifen so alles passieren kann, ist ein eigenes Kapitel. Bis zum Franz-Josefs-Bahnhof sind es vor allem Kanaldeckel und Bodenpiktogramme, die dem Radfahrer - insbesondere an Regentagen - koordinatives Feingefühl abverlangen. Auch halb auf dem Gehsteig parkende Autos und der allgegenwärtige "Kottan-Effekt" (plötzliches Aufklappen von Autotüren) führen zu einem regelmäßigen Ausscheren innerhalb des rund 1,5 Meter breiten, subjektiv schmäler wirkenden Radstreifens.

Eingepfercht zwischen Autos und Bussen ...

Hat man diese Wegstrecke einmal überstanden, wartet schon das nächste Gustostückerl auf den nun mit dem nötigen Adrenalin versorgten Radfahrer: Denn plötzlich führt ihn der Mehrzweckstreifen ungewollt Richtung Fahrbahnmitte und alsbald links an einer Rechtsabbiegespur vorbei. Der neuralgische Punkt ist an der Kreuzung Alserbachstraße/Nußdorfer Straße erreicht: Hier findet man sich nicht nur eingepfercht zwischen Autos und Bussen wieder, sondern gerät überdies in den den toten Winkel von Rechtsabbiegern. Hier spießt es sich also gehörig.

Der Rest der Strecke ist im Vergleich dazu ein Kinderspiel, obwohl man für die Steigung entlang der Fuchsthallergasse schon ein wenig Kondition mitbringen muss. Die Anbindung an den Gürtelradweg ist dann erst auf den zweiten Blick ersichtlich. Ein Orientierungsschild würde Abhilfe schaffen.

Mit Gefahren gespickte Strecke

Nach wie vor zählt die Alserbachstraße - auch in Gegenrichtung eine mit potenziellen Gefahren gespickte Strecke - zu den "Thrill-Rides" unter Wiens Radanlagen. Aber bei mehrmaligen Durchfahrten zeigte sich, dass die Verkehrsorganisation zwischen den geradeaus fahrenden Radfahrern und rechts abbiegenden Fahrzeugen trotz des zeitweise sehr dichten Verkehrs überraschend gut funktionierte. Offenbar brauchen die meisten Kfz-Lenker eine vorgezeichnete Linie, um Radfahrern gebührend Platz zu geben.

Dennoch sind die durchgehend markierten Mehrzweckstreifen nur hartgesottenen, auf die Strecke eingefahrenen Radlern zu empfehlen. Und natürlich Berufspendlern, für die die Verbindung zwischen Donaukanal und Gürtel eine - wenn auch Nerven strapazierende - Option mit hohem Zeit-Nutzen-Faktor darstellt. (DER STANDARD - Printausgabe, 27. Mai 2005)