Die Blunzn sind offiziell spitze

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Bei und mit der Wurst geht es manches Mal auch um die Wurscht. Internationale Bewerbe bringen eine sportliche Note ins Fleischerwesen. Und die Österreicher sind, anders als im Fußball, führend darin


Da also liegt sie nun, die Hochgerühmte, die in der Welt Herumgekommene und dort von den Hochmögenden innigst Verehrte, die Berückende, die Bezaubernde, die sozusagen auf der Zunge direkt Zergehbare. Ein feiner, nur in den unbeschädigten, oberen Nasenregionen wahrnehmbarer Duft nach Leben und Blut umhüllt sie und prägt den Eindruck ihrer äußerlichen Eleganz bis ins Olfaktorische, also Innerliche, hinein. Schlank ist sie, und doch drall, dem tastenden Zugriff elastischen Widerstand leistend. Müsste man sie brechen - was natürlich nie und nimmer der Fall sein wird und darf -, sie würde saftig knacken dabei. Man schaut, man riecht, man greift. Wer Sinne hat, dem könnten sie nun schwinden. Stattdessen überkommt einen der fast unwiderstehliche Beißdrang. Wäre sie nicht bloß eine Blunzn, es wäre nicht abwegig, per Sie mit ihr zu sein. Mit manchen Weinen ist man das ja schließlich auch.

Die meisten Menschen verbringen ihr ganzes Leben im Zustand der Unwissenheit. Ihnen ist, was die Blunzn betrifft, ziemlich alles blunzn. Dem gemeinen Esser fehlt einfach die diesbezügliche Differenzierungskraft. Aber dann passiert es - in diesem einen Fall begünstigt durch die Gnade des Berufsalltags -, dass man Josef Schreiner und seine Gattin Annemarie kennen lernt. Und plötzlich öffnet sich einem ein ganz neues Universum: eine Parallelwelt aus tausenden Litern Saublut, das sich in den Händen von Josef Schreiner in rätselhafte Köstlichkeiten verwandelt, das man bis hinauf ins Belgische und bis hinüber nach Frankreich zu schätzen und genießen weiß.

Eigentlich ist Josef Schreiner ein ganz normaler Fleischermeister in Forchtenstein, Burgenland. Aber das allein ist ihm nicht Ansporn genug, und deshalb hat er sich aufgemacht, der Welt zu zeigen, was eine pannonische Blunzn wirklich ist. "Die Blunzn", sagt er, der es wissen muss, "gibt es ja in unzähligen Variationen." Die Ungarn mengen der Masse Reis bei, die Niederösterreicher, gleich drüben schon in der Buckligen Welt, Speckwürfel, um das Fette so richtig geil werden zu lassen. Der Burgenländer bevorzugt hingegen reichlich Semmelwürfel in der Blutmasse, was unter anderem den Vorteil hat, dass die Blunzn sich auch dafür eignet, im Schenkhaus kalt serviert zu werden. Und dann gibt es diesbezüglich noch die Belgier und die Franzosen, aber zu denen möchte Josef Schreiner nicht viel sagen. Sie könnten es als Überheblichkeit auslegen, denn immerhin zählt er im frankofonen Blunznparadies seit Jahren zu einer fixen Geschmacksgröße, ausgezeichnet mit zahlreichen Pokalen, Bronze- und Silbermedaillen, und heuer gewann seine Blunzn sogar Gold, das hat er mit Brief und Siegel der "Blunznritter-Brüderschaft", und wer das nicht glauben will, der wird durch die Urkunde der "Confrérie des Chevaliers du Goûte-Boudin" eines Besseren belehrt.

Was seine Blunzn zur Weltmeister-Blunzn macht, kann Josef Schreiner nicht sagen oder sagt es aus Gründen der Geschäftspolitik nicht. Rezept, schwört er, hat er keines, "ich mache alles ohne Waage, nur nach Gefühl". So mengt er der einen mehrere Hand voll Bärlauch bei, was dem Deftigen den knofeligen Hauch des Frühlings gibt, einer anderen wiederum Preiselbeeren, was sie - quasi im Abgang - ein wenig ins Wild-Süße bringt.

Aber freilich kann ein Fleischer von Blunzn allein - so hoch dekoriert sie auch sein mögen - nicht leben. Deshalb hamstert Josef Schreiner in allen möglichen Kategorien Preise ein: von der Presswurst "Großmutter Art" über die Bärlauchgriller und Käsekrainer bis zur Leberpastete mit Preiselbeeren, um die sich Gattin Annemarie kümmert, auch sie dekoriert mit Gold, im Vorjahr wussten die Koster der heimischen Fleischerinnung vor Verzückung gar keinen Höchstpreis mehr, also gaben sie ihr und ihrer Preiselbeerpastete 51 Punkte - von 50 möglichen.

Der Ort der Bewertung zählte doppelt. Denn der weltweit bedeutendste Wettbewerb der Fleischer und Verwurschter findet alle zwei Jahre in Wels statt. Zufall, sagt der Pöttschinger Franz Wallner, ist das nicht. Auf die Frage, was das Wichtigste ist, um Wurstweltmeister zu werden, antwortet der selbst vielfach ausgezeichnete Innungsmeister der burgenländischen Fleischer und Selcher klipp und klar: "Du musst Österreicher sein." Nirgends anders sei die wurstbezügliche Vielfalt so groß und damit das Geschick, sie zu machen. Überall anders gebe es durchaus auch G'schmackiges, allerdings stets in der jeweils regionalen Variante: Salamis, Mortadellas, Csabayer. Österreich sei dagegen in allen sechs Kategorien - Brühwurst wie die Extra, Fleischwurst wie die Wiener, Kochwurst wie die Blunzn, Rohwurst wie die Salami, Schinken und regionale Spezialitäten - führend. Und das Burgenland, das die österreichische Vielfalt durch die magyarische Note der üppigeren Paprizierung bereichert, brauche sich da auch nicht zu verstecken. Elf Betriebe nahmen im Vorjahr am Welser Wettbewerb teil, insgesamt 80 Medaillen brachten sie nach Hause, Franz Wallner immerhin elf goldene und eine silberne, und die wahrscheinlich auch nur, weil ein Burgenländer für "Münchner Weißwürschtel" keine goldene kriegen kann.

Geschäftlich, sagen die derart Ausgezeichneten, ist diese internationale Anerkennung kaum interessant. Natürlich, man gewänne ein paar neue Stammkunden, seltsamerweise aber aus der eher weiteren Umgebung. Im Dorf selbst wird die Goldmedaillenflut eher scheel angeschaut. Und die Konkurrenz der Supermärkte grabe unermüdlich an der Existenz. "Vor BSE", sagt Franz Wallner, "hatten die kleinen Fleischer einen Marktanteil von 25 Prozent, während der BSE-Krise stieg er auf 30. Jetzt stehen wir bei 15 Prozent."

Den diesbezüglich effektivsten Preis gewann Josef Schreiner im heurigen Jänner. Seine Käsekrainer und Bärlauchgriller errangen den Gesamtsieg beim "Ersten Burgenländischen Grillbratwurstcontest". Das dafür verliehene "Goldene Bratpfandl" ziert seither die Verkaufstheke. Und wird dort auch wahrgenommen. Die zahlreichen internationalen Preise, auf die beim Geschäftsportal hingewiesen wird, lassen die Forchtensteiner eher kalt. "Aber das Goldene Bratpfandl hat sie schon beeindruckt, damit haben sie was anfangen können." (Der Standard/rondo/27/5/2005)