Mexiko - Der formelle Protest vor dem Völkerbund vom 19. März 1938 gegen den "Anschluss" Österreichs leitete auch eine aktive Solidaritätspolitik Mexikos gegenüber Flüchtlingen aus dem "Dritten Reich" und anderen europäischen Ländern ein. Das österreichische Exil in Mexiko ist nach Angaben des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstand (DÖW) statistisch jedoch nicht eindeutig erfassbar.

Von den Behörden wurden rund hundert politische Asylanten, die sich als "Österreicherinnen" und "Österreicher" deklarierten, erfasst. Tatsächlich dürften es wohl einige mehr gewesen sein. Nach der Flüchtlingskonferenz von Evian legte die mexikanische Einwanderungsbehörde 1938 eine Quote von 5.000 für Österreicher fest, während 1939 die Anzahl wieder auf 1.000 Personen gesenkt und auf "Deutsche und Österreicher" erweitert wurde. Nur für Asylanten aus Spanien (und für alle Interbrigadisten aus dem Spanischen Bürgerkrieg) gab es bis 1941 keine zahlenmäßige Beschränkung.

Fluchtrouten

Zahlreiche aus Österreich stammende Familien reisten unter Nennung einer anderen als der österreichischen Nationalität ein, da vor allem bei den Eltern und Großeltern oft nicht Wien und Österreich, sondern ein Geburtsort in einem Nachfolgestaat der österreichisch-ungarischen Monarchie als Ausstellungsort einer Geburtsurkunde oder eines Reisepasses vorlag. Das DÖW eruierte, dass Österreicher unter den Staatszugehörigkeiten Ungarisch, Tschechisch, Deutsch, Italienisch geführt wurden.

Die Fluchtroute vieler Österreicher verlief über Frankreich und Marseille. Ab 1941 bestand nur mehr eine Möglichkeit: Über die Pyrenäen mit einem Transitvisum für Spanien nach Lissabon. Von dort liefen die letzten Schiffe die Karibik, die USA, Mexiko und Südamerika an. Die Solidarität mit Österreich zeigte sich auch nach dem Krieg am "Comite de Ayuda a Austria" (Hilfskomitee für Österreich), das im Jahr 1945 Hilfssendungen nach Österreich finanzierte.

Mexiko war an sich kein klassisches Einwanderungsland. Vorrangige Forderungen der Revolution (1910 - 1917), die zum Sturz von von Präsident Porfirio Diaz geführt hatte, waren eine Bodenreform und eine effektive Sozialpolitik für die Arbeiter des Landes. Ihr Ergebnis sollte vor allem den Mexikanern - auch der indigenen Bevölkerung - zugute kommen.

Zwischen 1920 und 1930 wanderten jedoch etwa 10.000 osteuropäische Juden in Mexiko ein, womit die Anzahl jüdischer Mitbürger und -bürgerinnen in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg auf etwa 20.000 anwuchs. Andererseits kam es Anfang der 30-er-Jahre zu einer massiven legalen und illegalen chinesischen Einwanderung im pazifischen Raum Mexikos. Diese europäischen und asiatischen Immigrationswellen wurden in Mexiko als Bedrohung der Revolution gesehen.

Eine restriktive Einwanderungspolitik und eine Verstaatlichungspolitik waren die politische Reaktion der revolutionären Regierung. Arbeitgeber wurden angewiesen, mindestens 50 Prozent Mexikaner anzustellen. Vor diesem sozialen Hintergrund etablierten sich um 1930 erste nationalistische Organisationen, wie die "Liga Anti-China", die "Liga Anti-Judia" und Vereinigungen wie das "Comite Pro-Raza" und die "Accion Revolucionaria Mexicanista".

Ihr Anliegen war der Schutz der mexikanischen Identität der Mestizen und die Sicherung der wirtschaftlichen Erfolge der mexikanischen Modernisierung. Mit dem Regierungsantritt von Präsident Lazaro Cardenas 1934 wurden die nationalistischen Bewegungen zurückgedrängt und die Einwanderungsbeschränkungen für asiatische und osteuropäische Einwanderer gelockert. (APA)