Wien - Kanzler Wolfgang Schüssel muss kommende Woche ins "Konklave". So werden die Einzelgespräche genannt, zu denen Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, derzeit EU-Ratsvorsitzender, seine Regierungschefkollegen bittet, um vielleicht doch beim Gipfel im Juni eine Einigung im Milliardenpoker über das EU-Budget zu erzielen. Am 1. Juni reist Schüssel zu Juncker. Ob die Einigung gelingt, war schon vor der deutschen Neuwahl-Ankündigung mehr als fraglich. Da unter britischem Vorsitz im zweiten Halbjahr 2005 wenige Fortschritte erwartet werden, weil London um seinen Briten-Rabatt von 4,6 Milliarden Euro jährlich kämpft, werden die Budgetverhandlungen für die Jahre 2007 bis 2013 wohl an Österreichs EU-Vorsitz im ersten Halbjahr 2006 hängen bleiben.

Positionen weit auseinander

Noch sind die Positionen weit auseinander: Die EU-Kommission fordert eine Erhöhung des EU-Budgets auf 1,26 Prozent des Bruttonationaleinkommens, das wären 1025 Milliarden Euro für die siebenjährige Finanzperiode. Der jüngste Kompromissvorschlag der luxemburgischen EU-Präsidentschaft sieht 1,05 bis 1,1 Prozent vor, das wären 900 Milliarden Euro. Die sechs Nettozahler - darunter Österreich - verlangen eine Beschränkung auf exakt ein Prozent, das wären 815 Milliarden Euro.

Österreich ist seit seinem EU-Beitritt Nettozahler. Die Zahlungen schwanken aufgrund der Tatsache, dass die Beiträge in Prozent der Wirtschaftsleistung berechnet werden, und aufgrund der Rückflüsse aus Brüssel (siehe Grafik). Im Jahr 2002 etwa waren die Nettobeiträge wegen der Hochwasserhilfen der EU besonders niedrig.

Jörg Haider spekuliert im STANDARD-Interview damit, dass Österreich seine Nettozahler-Position in den Budgetverhandlungen durchsetzt.

Österreich muss mehr zahlen

Aber selbst große Optimisten wie Finanzminister Karl-Heinz Grasser gehen davon aus, dass Österreichs Netto-Beitrag auf jeden Fall steigt: "Das ist traurige Realität. Es gibt aber in Österreich Verständnis, dass eine erweiterte EU mehr kostet." Selbst wenn die Ein-Prozent-Position durchgehe, würde der österreichische Nettobeitrag laut Rechnungen Grassers von derzeit rund 500 Millionen Euro pro Jahr auf 800 steigen. Wenn der Vorschlag der EU-Kommission verwirklich würde, würde sich Österreichs Beitrag auf deutlich über eine Milliarde Euro beinahe verdoppeln, warnte Grasser beim jüngsten Treffen der EU-Finanzminister. Der maximale Verhandlungserfolg Österreich könne also eine geringere Erhöhung der Beiträge sein.

Allerdings sind Österreich bei der Verhandlungsführung die Hände gebunden: Als EU-Vorsitzland muss es, den Usancen entsprechend, sich um einen Kompromiss unter allen Staaten bei der Schlacht um die Milliarden bemühen - und kann nicht mit Bestemm vor allem auf den eigenen Vorteil schauen. (Eva Linsinger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.5.2005)