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Ilham Aliew, Präsident

Foto: APA/EPA/Mamedow
Die Nummer 33 der Khagani-Straße im Zentrum von Baku gleicht mehr einem Heerlager als dem nüchternen funktionalen Sitz einer Oppositionspartei. Im frisch getünchten Erdgeschoß drücken sich die Parteisoldaten der "Volksfront" herum und warten auf das Ende einer Präsidiumssitzung ihres Chefs Ali Kerimli und neue Weisungen.

Eine Großkundgebung ist vorbereitet worden, die erste der Opposition in Aserbaidschan seit den Protesten bei den Präsidentschaftswahlen 2003 und der Verhaftungswelle. Die Polizei wird sie gewaltsam auflösen und später auch noch den Parteisitz in der Khagani-Straße stürmen. "Post-Bürgerkriegsmentalität" nennt das Friedhelm Frischenschlager, der frühere Verteidigungsminister, der im Auftrag der OSZE beim Demokratieaufbau im Kosovo und neuerdings auch in Aserbaidschan berät: vollkommene Dialogunfähigkeit von Regierung und Opposition in Baku; eine Welt in Schwarz und Weiß und ohne die geringste Neigung zum Kompromiss.

Sechs Monate bis zu den Wahlen

Die Volksfront, 1989, in den letzten Jahren der Sowjetrepublik offiziell zugelassen, setzt jetzt zum Sprung zurück an die Macht an. Zumindest sieht es Ali Kerimli so. Anfang der 90er-Jahre, mitten im Krieg gegen Armenien, stürzte sie den kommunistischen Parteisekretär und späteren Präsidenten Ayas Mutalibow. "Wir kamen an die Macht, doch unglücklicherweise halfen Russland und der Iran den Kommunisten zurück an die Regierung", erklärt Kerimli. "Deshalb brauchen wir vielleicht eine weitere friedliche Revolution in Aserbaidschan."

Sechs Monate sind es noch bis zu den Parlamentswahlen, bei denen das seit 1993 regierende Aliew-Regime - zunächst von Haidar Aliew, seit 2003 von seinem Sohn Ilham - ganz nach dem Vorbild in Georgien, der Ukraine und Kirgistans hinweggefegt werden soll. Nicht durch den Urnengang, denn daran, dass die Wahlen gefälscht werden, haben die Oppositionsführer Ali Kerimli und Musavat-Chef Isa Gambar keinen Zweifel.

Dabei hat Ilham Aliew gerade per Dekret demokratische Wahlen angeordnet. Der Erlass wird von manchen westlichen Diplomaten gelobt, nährt aber Zweifel, wie fest Sohn Aliew im Sattel sitzt und ob nicht vielleicht rivalisierende Machtgruppen im Staat etwa durch politische Morde wie an den regimekritischen Journalisten Elmar Huseinow im März den Präsidenten kompromittieren und einen anderen "starken Mann" installieren wollen. "Gesetzesverstöße während der Wahlen liegen außerhalb des politischen Willens der aserbaidschanischen Führung", erklärt Aliew in diesem Dekret und wird deutlicher: Die Gründe für diese Verstöße liegen "in der Unfähigkeit einiger Behördenvertreter und Mitglieder der Wahlkommissionen, in deren häufigen Mangel an Verantwortungssinn und, im Allgemeinen, in der "postsowjetischen" Mentalität". (DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2005)