Santa Maria - In einer dramatischen Wendung ist die Zeugenanhörung im Missbrauchs-Prozess gegen den US-Popstar Michael Jackson am Freitag überraschend abgeschlossen worden.

Den Geschworenen des Gerichts im US-Bundesstaat Kalifornien war zuvor das Videoband der polizeilichen Vernehmung des Hauptbelastungszeugen vom Juli 2003 vorgeführt worden. Darin schilderte der damals 13-jährige Junge mit flüsternder und den Tränen naher Stimme, wie ihn Jackson nach einem Trinkgelage missbraucht habe. Als nach der Vorführung im Gericht das Licht wieder eingeschaltet wurde, schienen einige der Geschworenen sehr bewegt. Eine weibliche Jurorin wischte sich offensichtlich mit einem Taschentuch über ihre roten Augen.

Verteidiger brach nach Besprechung mit Jackson Verteidigung ab

Jacksons Haupt-Verteidiger Tom Mesereau besprach sich unmittelbar nach der Vorführung des Bandes in einer Ecke des Gerichtssals mit Jackson und kündigte dann an, auf weitere Zeugen zu verzichten. Nur Stunden zuvor hatte er erklärt, noch mindestens vier Zeugen hören zu wollen, darunter den Jungen.

Rechtsexperte: Videoband ist Desaster für Angeklagten

Ein Rechtsexperte erklärte, dass Videoband sei ein Desaster für den Popstar und Jackson stecke nun in sehr großen Schwierigkeiten. "Tom Mesereaus schlimmste Albträume haben sicher nicht ein Ende wie dieses vorhergesehen, bei dem die Stimme des Jungen in den Ohren der Jury nachklingt", sagte der ehemalige Staatsanwalt von San Francisco, Jim Hammer.

Im Fall einer Verurteilung drohen dem 46 Jahre alten Popstar mehr als 20 Jahre Haft.

"Er hat angefangen, mich zu masturbieren...."

Das Videoband zeigte die Befragung des Jungen durch einen Polizisten. Auf die Frage, ob ihn Jackson jemals unsittlich berührt habe, schwieg der Junge zunächst 15 Sekunden lang. Dann beschrieb er mit leiser Stimme, wie die Nacht auf der "Neverland"-Ranch von Jackson mit heftigen Alkohl-Genuss begonnen und damit geendet habe, dass der Popstars ihn an seinem Geschlechtsteil angefasst habe.

"Er hat seine Hand in meine Hose getan", sagte der Junge. "Er hat angefangen, mich zu masturbieren. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht möchte. Er (Jackson) hat gesagt, er möchte mir etwas beibringen. Er hat gesagt, dass es O.K. ist, das nichts Falsches daran ist und dass es natürlich ist." Er habe mit Jackson in einem Bett geschlafen, seit die Familie nach einer Reise mit dem Superstar im Februar 2003 zurückgekommen sei, sagte der Junge. Ingesamt habe Jackson ihn vier oder fünfmal masturbiert, jeweils nach größerem Alkoholgenuss.

Der inzwischen 15-jährige hatte zuletzt im März gegen Jackson vor den Geschworenen ausgesagt. Er hatte auch damals den Popstar beschuldigt, ihn 2003 auf der Neverland-Ranch mit Alkohol gefügig gemacht und dann sexuell missbraucht zu haben. Jackson hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Richter lässt Fotos von Jacksons Genitalien nicht zu

Im Missbrauchsprozess gegen Michael Jackson ist die Staatsanwaltschaft mit dem Antrag gescheitert, den Geschworenen Aufnahmen von den Genitalien des Angeklagten zu zeigen. Die Fotos waren im Rahmen früherer Ermittlungen gegen den Sänger gemacht worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist darauf ein "einzigartiges Merkmal" zu erkennen. Zugleich liege eine Beschreibung dieses Merkmals durch ein Kind vor, was beweise, dass Jacksons Beziehungen zu Buben "nicht beiläufig" gewesen seien, sagte Staatsanwalt Roy Zonen am Donnerstag.

Richter Rodney Melville wies den Antrag ab. Der negative Eindruck, den eine solche Präsentation bei der Jury zu hinterlassen drohe, werde den Nutzen bei weitem überwiegen, erklärte er.

Der Prozess soll kommende Woche fortgesetzt werden. Voraussichtlich zum Ende der Woche werden die Geschworenen ihre Beratungen beginnen. (Reuters/APA)