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Dominique de Villepin

foto: reuters/gentile
Wer ist dieser stolze, groß gewachsene Mann mit dem Adlergesicht und dem weiß wallenden Haupthaar, der Rimbaud zitiert, die Damen charmiert und seine fulminante Unterschrift mit einer Friedenstaube garniert? Ein Dichter? Ein Denker? Nein, Frankreichs neuer Premierminister!

Dominique Marie François René Galouzeau de Villepin ist gestern wie selbstverständlich ins höchste Regierungsamt der Grande Nation aufgestiegen. Für den ehemaligen Spitzenfunktionär und Diplomaten ist Politik nun einmal "Leidenschaft", wie er selbst sagt. Oder wie ein Bekannter von ihm sagt: "Der Alltag erdrückt ihn, die Mittelmäßigkeit deprimiert ihn, die Gegnerschaft erfrischt ihn."

Villepin stellte sich nie einer Volkswahl, doch den Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates entriss er 2003 spontanen Applaus, als er in einer langen Rede die "universellen Werte des Friedens" gegen die kleinkarierten US-Interessen im Irak pries.

Der 49-jährige Eliteschulabgänger und Familienvater dreier Kinder hat einen romanhaften Werdegang hinter sich. 1953 kam er in Marokko auf die Welt, ging in Venezuela und Italien zur Schule und wurde in den USA und Indien Diplomat. Aus besserem Hause stammend, schaffte es der flamboyante Aristokrat in die hohe Politik, "ohne je einen Wähler gesehen zu haben", wie ein Pariser Blatt halb bewundernd, halb sarkastisch meint. Dafür kennt er Jacques Chirac, seinen Mentor und Vorgesetzten, dem er in absoluter Loyalität verbunden ist und der Villepin in den Elysée-Palast holte, als er selbst Staatschef wurde. Schon dort bewies der Generalsekretär politisches Temperament: 1997 hatte er die Idee, die Nationalversammlung per Federstrich aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Das verhalf Chirac zu seiner größten Blamage, ging der Wahlsieg doch an die Linke.

Villepin reichte seinem dramatischen Naturell entsprechend seine Demission ein, doch Chirac schlug aus. Schon 2002 wollte Villepin Premier werden, doch der Präsident war jetzt gewarnt und schob ihn ins Außenministerium ab, wo er weniger Porzellan zerbrechen konnte.

Meinte Chirac. Im komplexen Bürgerkrieg der Elfenbeinküste setzte sich Villepin aber prompt in die Nesseln, als er dem Land eine "Friedenslösung" aufzwang, die nur wenige Tage später an der Realität zerschellte. Vor Jahresfrist brauchte Chirac aber einen neuen Innenminister und berief Villepin. Dieser bewies, dass er neben seiner Vorliebe für subtile Poesie auch über natürliche Autorität verfügt. Auch wenn einige Gendarmen ihren elitären Chef kritisierten, weil er seine Untergebenen ab und zu als "Deppen" abkanzelte. Villepin bestand die Feuerprobe in dem innenpolitisch heiklen Job und rückt nun dafür endlich zum ersten Minister auf. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.6.2005)