Bild nicht mehr verfügbar.

Die Textilindustrie in China wurde technologisch hochgerüstet, bei der Qualität waren große Sprünge möglich. Der Druck auf Europa wird noch weiter steigen.

Foto: Reuters/CHINA NEWSPHOTO
Wien/Linz - "China hat mehrere Gesichter", sagte der chinesische Ökonom Ma Yu am Dienstagabend bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer. Eine nicht besonders angenehme Facette des riesigen Reiches der Mitte bekommt derzeit die europäische Textilindustrie zu sehen.

"Ich habe es vorhergesehen und es wird eintreten: Ein Drittel der insgesamt 2,6 bis 2,7 Millionen Arbeitsplätze in den EU-25 wird wegfallen", sagt Dionys Lehner, Chef des österreichischen Garneherstellers Linz Textil, "es ist wie ein Tsunami."

"Perfekte" Vorbereitung

Die Chinesen hätten sich "perfekt", so Lehner, in den vergangenen zehn Jahren auf dieses Jahr 2005 vorbereitet, mit dem das "Multifaserabkommen" abgelaufen ist und alle Barrieren für chinesische Textilausfuhren gefallen sind. Die Maschinenparks seien mittlerweile Hightech, "die Qualität ist beachtlich".

Linz Textil habe sich ebenfalls vorbereitet, mit Produktentwicklungen (etwa einem neuen Garntypus aus Viskose) und dem Hinauffahren des Eigenkapitals als Polster für wahrscheinliche Verlustjahre.

Auch Kostensparen sei unvermeidlich gewesen. Linz Textil schließt Mitte des Jahres das Werk in Felixdorf, wo Baumwollgarne für den T-Shirt- und Unterwäschemarkt produziert werden.

120 Jobs gestrichen

In der Weberei Reutte wird die Kapazität nach unten korrigiert. Auch in Kroatien, Ungarn und Tschechien sind Werke betroffen. Insgesamt kosten die Maßnahmen den Job von 120 Menschen (in Österreich 50), in etwa zehn Prozent der Gesamtbelegschaft. "Es hätte aber schlimmer kommen können", so Lehner.

Lehner, gebürtiger Schweizer und seit 1977 an der Spitze von Linz Textil, prophezeit darüber hinaus auch anderen Branchen schwere Zeiten: "Textil ist erst der Beginn. Und die EU steht wie gelähmt da. Aber China spielt ganz klar nach den Regeln der WTO."

China 2015 als Nummer 2

Experten schätzen, dass China bereits um 2015 die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Erde nach den USA sein könnten. Dass das Land vom Westen bereits als künftiger Global Player hofiert wird, illustriert auch ein Projekt auf der Wiener Donauplatte, wo ein Zentrum für Technologietransfer mit China entstehen soll.

Dort sei man unter anderem in der Nano- und Biotechnik "gut unterwegs", so ein Beteiligter, "gegenseitige Befruchtung" wäre möglich. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 02.06.2005)