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Elfriede Ott, schreibende Reflexionskünstlerin, ist unermüdlich im Einsatz für das Publikum.

Foto: APA/ Artinger
Ihr vorläufiges, auch zwischen Buchdeckel gepresstes Lebensfazit spottet freilich aller Lustbarkeitsklischees.


Maria Enzersdorf - Die Äcker vor der Maria Enzersdorfer Villa, in der einst Elfriede Ott zusammen mit ihrem Lebensmenschen Hans Weigel wohnte, ehe sie nach Weigels Tod 1991 in das Gartenhaus übersiedelte, um den Blick von der entstandenen Leere abzuwenden, tragen junges Grün. Nach Passieren der Gartentür beschnuppern einem ausnehmend wohlerzogene Hündchen die Hosenbeine.

Ott ("Sagen Sie bitte nicht Frau Professor zu mir!") sitzt im Garten. Tieren - wie ihren drei Katzen - vertraut sie. Mehr als den Menschen. Ihren 80. Geburtstag feiert die große Volksschauspielerin am 11. Juni. Bereits ab heute tritt sie mit Gerhard Bronner im Stadttheater Walfischgasse auf (Noch immer - schon wieder, 20 Uhr). Sie hasst es geradezu, auf ihre hervorstechendste Eigenschaft angesprochen zu werden: lustig zu sein. "Ich danke Ihnen, dass Sie mich nicht fragen: 'Warum sind Sie immer so lustig?'"

Was sie nicht dazusagt: Sie erregt bei ihrem dankbaren Publikum jederzeit Heiterkeit. Im Verschleppen der Pointen, im Verbiegen von Chansons, im zuckersüßen Rezitieren Wiener leichter, heiterer Bekömmlichkeiten ist sie unangefochten groß.

Hinter dieser Fassade, die von einem eisernen Willen zur Selbstdisziplinierung zeugt, steckt ein womöglich angefochtener Mensch. Das legt jedenfalls die Lektüre ihres Lebensreflexionsbuches Ich hätte mitschreiben sollen ... - Splitter meines Lebens (Styria) mit geradezu alarmierender Dringlichkeit nahe. Das Leben? Eine blinkende Kette von Niederlagen, Katastrophen, Demütigungen. Otto Schenk wird Josefstadt-Direktor? Sofort droht er seinem Ensemble-Star mit Hinauswurf. Ott darf schließlich bei halbierten Gagen weitermachen.

Das Ende der Lieben Familie im Samstagnachmittag-Milchkaffeefernsehen? Eine formlose Kündigung durch den damaligen Programmdirektor Wolfgang Lorenz. Zum Abschluss wird jedem der Veteranen eine Flasche Wein ausgehändigt. Die tiefste Schmach ereignet sich danach: Hundemutter Ott begegnet ihrem Gassi gehenden Kontrahenten auf der Innenstadtstraße. Die unschuldigen Hunde bezeugen einander ihre Sympathie. Ott möchte daraufhin vor Scham im Erdboden versinken.

Wie beurteilt sie die Entwicklung des Josefstadt-Theaters, die Umwandlung in eine Stiftung, das bevorstehende Avancement von Herbert Föttinger zum jugendlich grau melierten Direktor? Ott: "Ich kann nur das beurteilen, was ich höre: Dass die Stiftung gut sein soll für das Haus! Ich kann zwar nicht ganz verstehen, wer jetzt bestimmen wird, aber - warum nicht?" Sichert die Einflussnahme durch die Subventionsgeber nicht absehbar den Fortbestand des Hauses? Ott antwortet mit einer Gegenfrage, in die sie ihr ganzes, gesammeltes Misstrauen legt: "Ist das nicht wieder Politik?"

Sie traue Föttinger den Job zu. Und sie bedaure das Scheitern von Hans Gratzer: "Der das Haus leider leer gespielt hat!" Mit der Wiener Theaterreform brauche man ihr, der Schauspiellehrerin, nicht zu kommen: "Wo probieren sich die Jungen denn jetzt aus?" Und wenn sie sich an der Größe der Theaterkunst berausche, dann denke sie zurück an Regisseure wie Lothar Müthel oder Leopold Lindberg.

Durch die Maria Enzersdorfer Laubbäume zittert ein auffrischender Wind. Ein Hündchen, das gekrault werden möchte, blickt einen mit ruhigem Zärtlichkeitsblick an. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.6.2005)