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TÜV-Experte: "Viele Menschen erkennen die Gefahr alter Lifte nicht mehr, da sie moderne Systeme gewohnt sind"

Foto: APA/ ROBERT JAEGER
Der tödliche Liftunfall einer Frau in Wien war schon der vierte fatale Vorfall in einem Aufzug seit 2001. Insgesamt hat sich die Zahl der Unfälle in den vergangenen zwanzig Jahren vervierfacht: die Leute sind alte Anlagen nicht mehr gewohnt und klagen öfter auf Schadenersatz.

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Wien – "An der zersplitterten Deckenlampe hat sich das Opfer dann eine klaffende Halswunde zugezogen, an der sie verblutet sein dürfte", beschreibt Heimo Schneeberger vom Wiener Kriminalkommissariat Zentrum-Ost die Todesursache einer 24-Jährigen, die Mittwochnachmittag bei einem Aufzugunglück starb. Die junge Frau ist der vierte Mensch seit 2001, die in Wien in einem veralteten Aufzug ums Leben kam (siehe Kasten unten).

Kinder fanden die Leiche

"Nach unseren Ermittlungen hat die Frau einen Altpapiercontainer aus dem Erdgeschoss in den ersten Stock geholt. Als sie ihn im Lift zurückbringen wollte, hat sich der Container verkeilt und sie an die Decke gedrückt", rekonstruiert der Kriminalist den Vorfall im Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt. Kurze Zeit später fanden zwei Kinder dann die Leiche.

"Fahrkorbtür" fehlte

Möglich wurde das Unglück durch die fehlende "Fahrkorbtür" – die Liftkabine war also auf einer Seite offen. 22.000 der insgesamt 76.000 Lifte in Österreich funktionieren noch nach diesem alten System, 12.000 davon befinden sich in Wien, weiß Anton Marschall vom Technischen Überwachungsverein (TÜV).

Marschall hat auch Zahlen zur Häufigkeit von Unfällen mit Aufzügen: wurden Mitte der 80er-Jahre dem TÜV rund 15 Unfälle pro Jahr gemeldet, sind es zwanzig Jahre später schon über 60. Und das, obwohl alte Lifte durch modernere Anlagen ersetzt werden.

Imme mehr Klagen

"Wir sehen dafür zwei Gründe. Erstens erkennen viele Menschen die Gefahr nicht mehr, da sie moderne Systeme gewohnt sind", erläutert der TÜV-Experte. Was in einer völlig geschossenen Kabine problemlos möglich ist, kann in einem alten Lift zur tödlichen Gefahr werden. Der Anstieg hat aber auch einen finanziellen Grund: "Es werden mehr Vorfälle bekannt, weil die Opfer immer öfter auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld klagen", meint Marschall.

Eigentümer haftet

Dieses Geld muss der Hauseigentümer bezahlen. Denn dieser hat dafür zu sorgen, dass sich das Gebäude und die darin befindlichen Einrichtungen in einem sicheren Zustand befinden. Ein Verbot, alte Aufzüge mit Müllcontainern oder anderen schweren Gegenständen zu betreten, ist dabei kein Ausweg.

Verletzte im Halbjahrestakt

Als Sofortmaßnahme sollten zumindest Warnhinweise in Aufzügen ohne Innentüren angebracht werden, fordert Rupert Kisser vom Institut "Sicher Leben". Und zwar nicht nur in Form eines Piktogramms, sondern in mehreren Sprachen. Denn mittlerweile würden sich Unfälle mit Toten und Schwerverletzten fast im Halbjahrestakt ereignen, erinnert Kisser in einer Aussendung. Und verlangt als weitere Maßnahme eine gesetzliche Frist für die Umrüstung alter Lifte.

Umrüstungskosten

Dafür sind allerdings die Länder zuständig, und die sehen offenbar nur wenig Bedarf. Einzig in Kärnten darf sich ab 2010 kein Lift mehr ohne Innentür in Bewegung setzten. In der Bundeshauptstadt setzt man dagegen nicht auf die Pflicht sondern auf finanzielle Anreize. Im April wurde beschlossen, das die Stadt 40 Prozent der Umrüstungskosten übernimmt.

"Zwischen 30.000 und 35.000 Euro kostet eine komplette Adaptierung auf das modernste Sicherheitsniveau inklusive Notrufanlage", rechnet Christian Schantl, Sprecher von Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SP) vor. "Wir gehen davon aus, dass viele Eigentümer die Förderung in Anspruch nehmen werden. Nur wenn dies nicht eintreten sollte, ist an eine Fristsetzung gedacht", kündigt er an. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 3.6.2005)