Wiener Neustadt - Zu 18 Jahren Haft ist am Donnerstag, am Landesgericht Wiener Neustadt die 30-jährige Tanja S. verurteilt worden. Sie hat laut Anklage am 17. Februar 2003 in ihrer Wohnung in Traiskirchen (Bezirk Baden) einen Autoverkäufer mit einer abgesägten Schrotflinte in den Nacken geschossen. Die Verteidigung hat sich drei Tage Bedenkzeit erbeten - das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Der Prozess fand eine Neuauflage, weil der Oberste Gerichtshof (OGH) im Dezember 2004 den Richterspruch gegen S. vom Juni 2004 in erster Instanz aufgehoben hatte. Den Geschworenen sollen nicht alle Aspekte einer möglichen Notwehr hinreichend dargelegt worden sein, hieß es in der Begründung. Die erste Verhandlung hatte bereits im September 2003 stattgefunden, war aber auf unbestimmte Zeit vertagt worden.

Der Richter hatte der Verteidigung zugestimmt, einen Beleg über 90.000 Schilling (6.541 Euro) von Schriftexperten des FBI untersuchen zu lassen - was jedoch zu keinem Ergebnis geführt hat.

Gesundheitlich gezeichnet

Im Juni 2004 wurde die zweifache Mutter schließlich zu 18 Jahren Haft verurteilt, verbrachte aber die meiste Zeit unter psychiatrischer Behandlung am Steinhof in Wien, weil sie einige Male versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Die Angeklagte selbst nahm am heutigen Prozesstag kaum zu den Geschehnissen am 17. Februar 2003 Stellung. Gesundheitlich schwer gezeichnet sagte sie lediglich: "Ich kann dazu nichts sagen. Ich kann mir das auch nicht erklären. Ich habe dazu schon alles gesagt."

Streit nach Autokauf

Der Bluttat war der Kauf eines Autos im Mai 2000 gegangen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hatte S. 100.000 Schilling (7.267 Euro) angezahlt, die restlichen 90.000 Schilling aber einbehalten, da der Wagen angeblich gravierende Mängel aufgewiesen hatte. Die Angeklagte gab an, die ausständige Summe einige Zeit später bezahlt zu haben, die Autofirma soll jedoch laut S. behauptet haben, den Betrag nie erhalten zu haben.

Frau bleibt bei Notwehr

Am 17. Februar 2003 kam es schließlich in der Wohnung von Tanja S. in Traiskirchen zum Aufeinandertreffen mit einem Autoverkäufer. Den Tathergang schilderte S. in unterschiedlichen Versionen, versicherte aber auch bei der heutigen Verhandlung, sie habe aus Notwehr gehandelt.

Gegen die Behauptung der Beschuldigten sprachen die Tatsachen, dass sie einen Stempel der Autofirma gefälscht und mit der abgesägten Schrotflinte im eigenen Keller Schießübungen durchgeführt hatte. S. blieb aberbei ihrer Aussage, sie sei von dem rund 40 Zentimeter größeren Mann zu Boden geschlagen und an den Haaren gerissen worden.

Für den Staatsanwalt geplante Tat

Für den Staatsanwalt - der für S. eine lebenslängliche Haftstrafe forderte - stand fest, dass die Tat "bis ins Detail geplant" gewesen war. Auch der Anwalt des Opfers sprach von "kaltblütigem Mord" und beantragte das selbe Strafausmaß.

Der Verteidiger von Tanja S. stützte sich auf ein Gutachten, das seiner Mandantin - auf Grund einer überaus schweren Kindheit - eine Persönlichkeitsstörung attestierte. S. habe auf Grund ihres Zustandes tatsächlich geglaubt, sie habe das Recht, in Notwehr zu handeln.

(APA)