Straßburg - Der Europarat hat den Demokratieabbau und die anhaltende Verletzung von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien in Russland angeprangert. Die von Russlands Präsident Wladimir Putin im vergangenen Herbst eingeleiteten Reformen zur Stärkung der Macht des Kreml gäben Anlass zur Besorgnis, hieß es in einem am Freitag in Straßburg veröffentlichten Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Staatenbundes. Auch habe Russland entgegen seinen Zusagen die Todesstrafe noch immer nicht abgeschafft, die Medien- und Versammlungsfreiheit systematisch eingeschränkt und die Kontrolle der Regierung über den Justizapparat verstärkt.

Trennung von Legislative und Exekutive nicht gewahrt

Die Berichterstatter, der britische Konservative David Atkins und der SPD-Bundestagsabgeordnete Rudolf Bindig, bemängelten unter anderem die jüngste Reform des Wahlrechts, die die Bildung politischer Parteien erschwert und ihren Zugang zur Duma, dem Unterhaus des Parlaments, stark einschränkt. So wurde die Hürde für den Einzug von fünf auf sieben Prozent erhöht. Außerdem wurden Wahlkoalitionen verboten und die Mindestzahl von Parteien, die in der Duma vertreten sein müssen, von vier auf zwei halbiert.

Gleichzeitig baut die Reform Putins Einfluss auf die Zusammensetzung des Oberhauses (Föderationsrates) erheblich aus. Die Hälfte seiner Mitglieder werden nun von den regionalen Gouverneuren ernannt. Diese wiederum werden vom Präsidenten ausgewählt und können jederzeit von ihm abberufen werden. Diese Situation sei "eindeutig unvereinbar mit dem Prinzip der Trennung von Legislative und Exekutive", rügt der Ausschuss. Besorgnis erregend seien auch Pläne, wonach die Moskauer Regierung künftig Richter ernennen und abberufen soll. Dies vermindere die Chancen, in Russland ein "unabhängiges und unparteiisches Justizsystem aufzubauen".

Einschränkung der Medeinfreiheit

Massive Kritik übten die Berichterstatter an der Einschränkung der Medienfreiheit. In den vergangenen Jahren seien mehrere unabhängige Fernsehsender geschlossen und kritische Programme aus dem Staatsfernsehen verbannt worden. Einschüchterungen von unliebsamen Journalisten seien an der Tagesordnung. Dies habe dazu geführt, dass sich immer mehr Medien eine Selbstzensur auferlegt hätten. Der Mangel an Unparteilichkeit vor allem der audivisuellen Medien verhindere zudem einen wirklich fairen Wahlkampf und damit eine "funktionierende Demokratie".

Seit 1996 im Europarat

Der Bericht wurde vom Monitoring-Ausschuss, der die Entwicklung in Russland verfolgt, gebilligt und soll noch im Juni dem Plenum der Parlamentarischen Versammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Die beiden Berichterstatter sowie Mitarbeiter des Ausschusses hatten zwischen Oktober 2003 und November 2004 drei Informationsreisen durch Russland unternommen. Dabei sprachen sie unter anderem mit Regierungsvertretern, Parlamentariern, Bürgermeistern, Justizvertretern und Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen.

Russland wurde im Februar 1996 in den Europarat aufgenommen. Damals verpflichtete sich das Land zu demokratischen Reformen und zur Einhaltung der Menschenrechte. Außerdem sagte Moskau die Abschaffung der Todesstrafe bis 1999 zu. Ein entsprechendes Gesetz liegt der Duma seit mehreren Jahren vor, wurde bisher aber nicht im Plenum beraten. (APA)