Österreich im Bedenkjahr: Weil die ÖVP es nicht fertig bringt, einen Koalitionspartner wegen seiner Nazisprüche zum Rücktritt zu bewegen, wird – Bingo! – die Verfassung geändert.

Bevor wir uns auf diese Causa näher einlassen, eine Anmerkung: Das "Bedenkjahr" ist hin. Nicht im größeren Sinne, nicht im Sinne der Freude über das Erreichte, über 60 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand, über 50 Jahre Erringung der vollen Souveränität, über zehn Jahre Aufnahme in die europäische Gemeinschaft. Aber als Gelegenheit für diese Regierung, sich im Glanze der Jubiläen zu sonnen, ist die Sache schief gegangen.

Eine Feier anlässlich des Wiedererstehens der Republik aus dem Nazi-Horror, bei der der Bundeskanzler sagen muss, Verharmloser der Verbrechen des Nationalsozialismus hätten in unserer "Institutionenlandschaft", also konkret in der zweiten Kammer des Parlaments, keinen Platz, ist ohnehin ein Jammer. Aber jetzt, einen Monat später, sind die Herren Gudenus und Kampl immer noch im Bundesrat, der Herr Freunschlag immer noch Kärntner Landtagspräsident (wenigstens hat er sich entschuldigt), und der König aller Verharmloser, Jörg Haider, ist eine "konstruktive Persönlichkeit".

So konstruktiv, dass er seinen Kampl offenkundig bestärkt, im Bundesrat zu bleiben und dort Präsident zu werden, weil sonst die Basis im schönen Kärnten und anderswo mürrisch wird: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen, dass die blutigen Schergen der Siegermächte unsere anständigen und fleißigen NS-Ortsgruppenleiter, Durchhalteredner, Arisierungsbereicherer (Bärental!), Volkssturm-Aufbieter, Nachbarn-Denunzianten, Gestapo-Zuträger, Blockwarte, NS-Frauenschaftsheldinnen, diese Auslese und Blüte unseres Volkes, brutal verfolgt haben!

So denkt man in Kärnten und anderswo (am meisten, aber nicht nur in BZÖ und FPÖ) und deshalb fühlt sich der Herr Kampl sicher, offenbar zu Recht. Er ist nicht wegzubringen. Auch vom Bundeskanzler nicht, der das vielleicht gar nicht so sehr versucht hat. Vielleicht, weil er immer wusste, mit wem er da eine Koalition geschlossen hat, und glaubte, es ignorieren zu können. Er glaubte wahrscheinlich sogar ehrlich, dass sich das Problem durch Ignorieren erledigen werde und es auch gar nicht so groß sei.

Jetzt muss etwas getan werden, weil man einen solchen Präsidenten des Bundesrates mitten im "Gedenkjahr" und relativ knapp vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft nicht brauchen kann. Daher will nun die ÖVP, die eben noch gegen "Anlassgesetzgebung" war, die Verfassung ein bisserl ändern, damit der Herr Kampl von der Liste geschubst werden kann. Klubchef Willi Molterer exekutiert das, wahrscheinlich mit einer Wäschekluppe auf der Nase, aber er tut es. Allerdings benötigt man dazu die Zustimmung der Opposition. Die stellt die Bedingung, dass Kampl auch aus dem Bundesrat ausscheiden muss. Daran wird es sich vielleicht spießen.

Denn nun ist es nicht mehr zu leugnen: Diese Regierung hat sich seit dem ersten Augenblick ihrer Existenz zu Geiseln einer nicht gar so kleinen Minderheit Ewiggestriger gemacht. Die Republik muss die Verfassung ändern, der Kärntner Landtag muss neu in den Bundesrat entsenden, weil der Herr Kampl auf das gute Zureden des Kanzlers nicht hört.

Österreich sollte neu regiert werden, aber der Staat rotiert jetzt, weil so etwas wie der Herr Kampl mitten drinnen in der "Institutionenlandschaft" sitzt. Wir erheben uns zu Ehren des Gedenkjahres. (DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.6.2005)