Der den ORF-"Report" vom vergangenen Dienstag gesehen und die Reportage im neuen profil gelesen hat, könnte in Versuchung kommen, die Frage im Titel dieser Kolumne mit Ja zu beantworten. Was dort in der Heimat des Kampl parteienübergreifend aus (Lokal-)Politikermund und von der Vox Populi zu hören war, lässt den Schluss zu: Diese Leute haben nichts begriffen, nichts gelernt und es fehlt ihnen jeglicher moralischer Kompass: Hat eh Recht, der Kampl, nur so laut hätt er es nit sagn sollen. Oder nit in Wien.

Kampl ist kein Mehrheitsphänomen, das nicht. Aber seinesgleichen ist relativ dicht gewebt im Unterfutter dieser Gesellschaft und es gelangt bis hoch hinauf in die "Institutionenlandschaft"

(Schüssel) dieser Republik. Vor 15 Jahren hat Kampl gesagt: "Wenn es den Hitler nicht gegeben hätte, wäre Österreich jetzt kommunistisch." Das ist zunächst einmal blanke politische Idiotie. Der Kommunismus kam nur in die Nähe Österreichs, weil Hitler einen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion angefangen und verloren hat. Überdies ist Kampls (verjährte) Aussage eine klassische Verharmlosung des Nationalsozialismus. Aber unsere Justiz hütet sich, das Offenkundige zu sehen. Der Bundesrat Gudenus hat ja nur "persönliche Zweifel" an den Gaskammern angemeldet, sagt die Staatsanwaltschaft und stellt ein.

Genau das ist das Elend. Nein, es gibt kein Nazi-Gen im österreichischen Volkskörper, damit das gesagt ist. Aber es gibt ein ganz breites Versagen von Politik und Öffentlichkeit – anders als in Deutschland. Die Kampls (und die Haiders) wären dort schon nach der ersten Äußerung aus der Politik verschwunden. Hier sind sie geachtete Regierungspartner. Kein Wunder, dass die zitierten Gurktaler und andere auch die guten Seiten am Nationalsozialismus entdecken.

Das Niederschmetternde an diesen Stimmen aus dem Gurktal oder sonstwo in unserem schönen Österreich ist ja die offenkundige Unfähigkeit so vieler Bürger, das Einfachste von der Welt anzuerkennen: Der Nationalsozialismus war die Inkarnation von Bösartigkeit und Niedertracht. Ja, aber die Bauern wurden "entschuldet", sagt Kampl, und das Kindergeld wurde eingeführt. Und woher kam das Geld? Vom größten Raubmord der Weltgeschichte. Das konnte man schon damals wissen. Heute muss man es wissen.

Viele wollen es nicht wissen. Die Wahrheit ist, dass sie es ganz in Ordnung finden, wenn man andere Menschen im Namen der "Volksgemeinschaft" ein bisserl schikanieren, ein bisserl berauben und ein bisserl umbringen darf. Keine Übertreibungen, natürlich! Aber nur so grundsätzlich ...

Die Regierung hätte die Pflicht, diese Denkweisen durch Sanktionen gegen die Kampls zu entmutigen. Sie tut es lau.

Aber private Gegenkräfte sind wirksam. In Kärnten gibt es am 11.5. eine Internationale Gedenkveranstaltung beim ehemaligen KZ Loiblpass (Innenministerin Prokop nimmt teil). Hier wirkt eine NGO um Prof. Peter Gstettner von der Uni Klagenfurt (http://loibl-memoral.uni-klu.ac.at).

In Oberösterreich arbeiten in der Welser Initiative gegen Faschismus ( www.antifa.at ) Sozialdemokraten und Christlich-Soziale zusammen. Die Grazer Arge Jugend gegen Gewalt und Rassismus ( www.argejugend.at ) errichtete mit Schülern eine Gedenkstätte am Präbichl, Schauplatz eines "Volkssturm"-Massakers an Juden in den letzten Kriegstagen. Diese und andere Initiativen sorgen dafür, dass die Kampl-Mentalität nicht unwidersprochen bleibt und nicht die Meinungsvorherrschaft gewinnt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.6.2005)