Es war der niederländische Architekt Rem Koolhaas, der nach Non und Nee zur Verfassung den schönen Satz über Ursachen der Europaskepsis formulierte: "Die Argumente der EU-Gegner bestehen aus lauter Echos von Aussagen der politischen Klasse."

Wolfgang Katzian hat den Satz entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Denn was der neue Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten Sonntagabend in der ORF-Diskussion "Offen gesagt" von sich gegeben hat, ist genau der Stoff, aus dem EU- Ablehnung gestrickt wird.

Wenn Angehörige der politischen Klasse wie Katzian auf Stammtischniveau die "Bürokraten in Brüssel" geißeln, dann darf sich niemand wundern, dass Österreich am Stammtisch und in Umfragen Europameister in der EU-Gegnerschaft ist. Wenn Funktionäre wie Katzian selbstverständlich über das österreichische Gefüge wie Parlament oder Bundesregierung reden, die europäischen Institutionen Kommission, Ministerrat und Parlament aber als "unverständliches Fachchinesisch" abqualifizieren - dann kann niemand überrascht sein, dass die Mehrheit der Österreicher noch nicht in Europa angekommen ist. Begriffe wie "ASVG-Novelle" kommen Katzian locker über die Lippen - was ist dann an "Rat" so schwer? Und was ist so kompliziert an der Tatsache, dass jede Woche österreichische Minister zu Fachministerräten reisen und mitbestimmen?

Katzians Auftritt könnte als billiger Profilierungsversuch eines Gewerkschaftschefs abgetan werden - wenn er nicht ein Paradebeispiel für die neue, populistische Europalinie der SPÖ wäre. Im Wettlauf mit den Konkurrenten um die Stimmen des so genannten "kleinen Mannes", dem BZÖ und der FPÖ, positioniert sich die SPÖ als Sprachrohr der EU-Skeptiker. Und redet denen nach dem Mund, die für alles schwer Begreifbare und Negative einen billigen Sündenbock gefunden haben: die EU. Von hoher Arbeitslosigkeit bis Bürokratie - an allem ist die EU schuld.

In konsequenter Fortführung der Haltung finden die SPÖ-Spitzen wie Parteichef Alfred Gusenbauer und Klubobmann Josef Cap nur eine Antwort auf die europäische Krise: Sie schreien laut "Stopp". Stopp zur Erweiterung, Stopp zur Verfassung, Stopp zu Türkei-Verhandlungen - Hauptsache: Stopp.

Dieses Muster, Ängste politisch zu verstärken, exerziert die Arbeiterkammer seit Jahren in einer Melange aus Fremdenfeindlichkeit und Zukunftsangst bei der Erweiterung vor. Dass gerade Österreich zu den Hauptprofiteuren der Integration der exkommunistischen Länder gehört, wird dabei gern verschwiegen. Passt das Faktum doch nicht ins schaurig-schöne Schreckbild. Und mit Polemiken gegen angebliche Massenzuwanderung lassen sich viel besser Ängste schüren - eine Praxis, die von der SPÖ in ihrem Türkei-Kurs fortgesetzt wird. Obwohl auch frühere SPÖ-Kanzler die EU-Erweiterung und die Annäherung der Türkei mitgetragen haben.

Ähnlich unlauter agieren Katzian, Cap, Gusenbauer und andere SPÖ-Granden, wenn sie nun mit plumper EU-Ablehnung aufwarten. Keine Frage: Nach den negativen Verfassungsreferenden ist niemand damit gedient, unkritisch die EU schönzureden und ansonsten weiterzumachen wie bisher. Im Gegenteil: Diskussionen über den künftigen Kurs und die Schwerpunktsetzung der EU sind dringend notwendig. Bloß: Hinhacken auf "Brüssel" à la SPÖ (und Jörg Haider) bringt dabei gar nichts. Denn die EU ist nicht etwas Fernes, Feindliches - sondern eine Gruppe, in der Österreich Mitglied ist. Und in der österreichische Minister, Kanzler und Parlamentsabgeordnete den Kurs mitbestimmen.

Die SPÖ sorgt sich zu Recht darüber, wie Kanzler Wolfgang Schüssel die EU-Präsidentschaft Österreichs mit einem Koalitionspartner wie dem Europakeppler Haider mit Anstand absolvieren will. Nur: Die Europaperformance der angeblich staatstragenden Partei SPÖ war in der Vorwoche um keinen Deut besser. Und führt nur zu einem: zum Echo dumpfer EU-Ablehnung. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.6.2005)