Wien - "Warum das so ausgeartet ist, ist mir auch ein Rätsel", ist Rechtsanwältin Alexandra Pichler verwundert. Eine Verkehrskontrolle wegen Telefonierens Ende April in Wien endete für ihren Mandanten, einen 45-jährigen Kunsthändler, mit zerrissenen Kleidern, Festnahme und einer Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Herr A. war am 27. April auf der Fahrt zu seinem Geschäft und bemerkte nicht, dass ihm ein Streifenwagen folgte. Die Polizei behauptet, mittels Blaulicht, Folgetonhorn und Aufforderung über Außenlautsprecher vergeblich versucht habe, ihn zu Anhalten zu bringen - was der Betroffene nicht so sieht. "Ich bin mit vorschriftsmäßiger Geschwindigkeit Richtung Innenstadt gefahren und habe an jeder Ampel gehalten. Geflohen bin ich sicher nicht", erklärt er.

Streit

Gestoppt wurde Herr A. erst in der Favoritenstraße, als sich ein zweiter Funkwagen quer über die Fahrbahn stellte. Nach kurzem Streit mit den Besatzungen von mittlerweile mehreren Polizeiwägen erklärte er sich bereit, zum Amtsarzt zu fahren.

Allerdings wollte er vorher sein Auto, das mitten auf der Verkehrsader stand, einparken. Zunächst auf seinem rund 500 Meter entfernten Privatparkplatz, was ihm die Beamten untersagten. Dann in einer Parklücke auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Auch das wurde verboten. "Ich habe ihnen noch die Autoschlüssel angeboten, damit sie selbst einparken, dass wollten sie aber nicht. Also hab ich den Wagen gestartet und die Automatik auf ,Neutral' geschaltet", schildert Herr A. Dabei sei das Auto einige Zentimeter auf einen Polizisten zugerollt, "ich bin aber sofort auf die Bremse gestiegen", behauptet der Kunsthändler.

Wachzimmer

Die Polizei sah das offenbar anders: Vier Beamte zerrten ihn aus seinem Wagen, fixierten ihn auf dem Kofferraumdeckel und traten und würgten ihn nach seinen Angaben. Mit zerrissenem Sakko und Hemd wurde er schließlich unter Beschimpfungen auf ein Wachzimmer gefahren.

Für Anwältin Pichler ist der Vorfall ein Beispiel für unverhältnismäßigen Gewalteinsatz. Neben einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft will sie den Fall auch vor den Unabhängigen Verwaltungssenat bringen. Peter Goldgruber von der Wiener Polizei kann sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Grundsätzlich beantwortet er die Frage, was mit einem verkehrsbehindernd abgestellten Fahrzeug nach einer Kontrolle passiert: "Kann der Lenker aufgrund seines Zustandes nicht mehr selbst einparken, sind die Beamten auch gegen seinen Willen berechtigt, das Auto wegzufahren." (moe, DER STANDARD – Printausgabe, 07.06.2005)