La Paz/Hamburg - Das ärmste südamerikanischen Land Bolivien durchlebt wegen eines Streits um die Vermarktung von Erdgas eine seit Jahren dauernde Krise. Der bolivianische Präsident Carlos Mesa hatte vor dem Hintergrund der Unruhen schon im März seinen Rücktritt angekündigt.

Das Thema der Erdgasexporte hatte bereits im Oktober 2003 zu wochenlangen Protesten mit mehr als 80 Toten und zum Sturz von Präsident Sánchez de Lozada geführt. Lozada flog in die USA, für den damaligen Vizepräsidenten Mesa schlug als Mann des Ausgleichs die politische Stunde. Gewerkschaften und Linksnationalisten hatten der Regierung vorgeworfen, sie habe das Erdgas ausländischen Konzernen zu billig überlassen. Der Reichtum müsse endlich den Armen zugute zukommen. Die Energie solle genutzt werden, um die heimische Produktion anzukurbeln.

Machtkampf zwischen Provinzen

Die Krise entwickelte sich aus einem Machtkampf zwischen reichen und armen Provinzen um die Nutzung der Vorkommen. Die wohlhabenden Erdgas-Provinzen im Osten wollen mehr Autonomie. Die verarmte Indio-Landbevölkerung im Westen will eine neue Verfassung und die Verstaatlichung der Bodenschätze. Nach einem Gesetz zur Erdgas- und Erdölindustrie, das vor einem Jahr in Kraft trat, sollen private Förderunternehmen aus dem In- und Ausland künftig eine Steuer von 32 Prozent und zusätzlich Abgaben von 18 Prozent an den Staat abführen. Das wird von linken Kräften als zu unternehmerfreundlich kritisiert.

Die ausländischen Konzerne, darunter British Gas und British Petroleum, die französische Total und der brasilianische Multi Petrobras, lehnen das Gesetz ebenfalls ab. Es habe Enteignungscharakter und verletze vertraglich abgesicherte Rechte und internationale Abkommen.

Bolivien lebt allein von der Ausbeutung weniger Naturvorkommen, darunter neben Erdgas auch Zink und Gold. Zwei Drittel der 8,5 Millionen Einwohner müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Die von der indianischen Urbevölkerung gebildete Unterschicht sieht sich seit Jahrhunderten von ausländischen Mächten und einer kleinen Oberschicht aus Weißen und Mestizen unterdrückt und ausgebeutet. Für zusätzliche Probleme sorgt der jahrelange Konflikt um die Vernichtung von Koka-Feldern mit Hilfe aus Washington. Viele Bauern sehen keine Alternativen zum Koka-Anbau.

Mesas politische Bewegungsfreiheit wird von das Parlament beherrschenden Traditionsparteien und von den extrem linksnationalistischen Kräften um Koka-Bauernführer Evo Morales und den Gewerkschaften eingeengt. Morales, Chef der Bewegung zum Sozialismus, will die Bodenschätze verstaatlichen. Er fordert Neuwahlen. (APA/dpa)