Wien - Die ÖBB drängen in die Nahversorgung. Nach dem Vorbild der Tankstellen sollen in kleineren bis mittelgroßen Bahnhöfen Mini-Supermärkte als Franchisebetriebe eingerichtet werden. Welche Standorte sich dafür am besten eignen, will man bis Herbst herausfinden. Bei den ÖBB spricht man von bis zu 50 Bahnhöfen.

"Wir wollen das Feld nicht ausschließlich den Tankstellen überlassen", sagte der Chef der ÖBB-Holding, Martin Huber, in einer Pressekonferenz am Dienstag. Er verwies auf die Deutsche Bahn, die an 800 Standorten Tante-Emma-Läden plane. Dort würden Bahnkunden, Anwohner oder Busreisende alles aus einer Hand finden: von der Fahrkarte über Reisebedarf, Snacks, Zeitungen und Tabakwaren bis zu Geschenkartikeln.

Die langen Öffnungszeiten, die nach Ansicht von Huber noch gestreckt werden sollten, lockten Kundschaft an, die gar nicht mit der Bahn fahren. Somit werde an den Bahnhöfen das realisiert, was die Mineralölkonzerne mit ihren Tankstellen-Shops seit Langem und erfolgreich vormachen.

Die Verwertung von ÖBB-eigenen Immobilien ist eine der sechs Säulen, auf denen die Einnahmen der ÖBB-Infrastruktur Bau AG ruhen. Wichtigste Säule ist die Schienenmaut, die von der Bau AG für die Benützung des Bahnnetzes von der Betriebs AG kassiert werden; heuer sind das in Summe 368 Mio. Euro.

Jeweils zweistellige Millionen Euro-Beträge werden nach Angaben von Gilbert Trattner, Finanzvorstand der Bau AG, mit dem Bahn-eigenen Kraftwerkspark und den Telekom-Aktivitäten realisiert. Dazu kommen noch Förderbeiträge der EU für grenzüberschreitende Bahnprojekte (Transeuropäische Netze TEN) sowie Kostenbeiträge der Länder.

Milliardenanleihe

Ziel sei es, den Eigenfinanzierungsanteil der Bau AG deutlich zu erhöhen, sagte Trattner. Länder und Gemeinden sollten verstärkt in die Pflicht genommen werden, auch bei Neubauprojekten mitzuzahlen.

Zur Eigenfinanzierung will die ÖBB-Infrastruktur Bau AG auch neues Geld am Kapitalmarkt aufnehmen. Für Herbst kündigte Trattner eine neue Anleihe im Volumen von voraussichtlich einer Mrd. Euro an. Die Laufzeit soll zehn bis 15 Jahre betragen. Ein Rating der im Zuge der ÖBB-Reform gegründeten neuen Bahnbau-Gesellschaft ist im Laufen. Platziert werden soll die Anleihe vor allem unter internationalen Investoren. (stro, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.6.2005)