Paris - Der neue französische Premier Dominique de Villepin (UMP) hat in seinem am Mittwoch vorgestellten Regierungsprogramm die von Präsident Jacques Chirac (UMP) bei seiner Wiederwahl 2002 versprochenen Steuersenkungen zu Gunsten verstärkter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen geopfert.

Chiracs Wahlversprechen, die Einkommenssteuern binnen fünf Jahren um ein Drittel zu reduzieren, brachte sämtliche Finanzminister in der aktuellen Legislaturperiode in Verlegenheit, zumal das Wahlprogramm auf einer Wachstumsprognose des Bruttoinlandsprodukts von drei Prozent basiert war. In der Realität aber lag die Wachstumsrate weit unter dieser Schwelle.

"Pause"

Obwohl Chirac selber im Juli des Vorjahres eine "Pause" bei der Steuersenkung für 2005 angekündigt hatte, hielt der frühere Wirtschafts- und Finanzminister Hervé Gaymard (UMP) noch zu Jahresbeginn am ursprünglichen Plan fest. Selbst im Mai betonte Budgetminister und Regierungssprecher Jean-Francois Copé zwei Wochen vor dem Referendum zur EU-Verfassung, dass die geplante Fiskalreduktion nach wie vor aktuell sei.

Endgültig begraben wurde das Vorhaben erst am Mittwoch bei der Präsentation von Villepins Regierungsprogramm in der Nationalversammlung. Der Premier betonte, dass er die Einstellung der Steuerreduktion "im vollen Einvernehmen mit dem Präsidenten der Republik" beschlossen habe und sprach von einer "Pause für das Jahr 2006". Zumal im Frühjahr 2007 allerdings Neuwahlen anstehen, erscheint es unleugbar, dass diese Pause in Wirklichkeit einem Abschied vom Wahlversprechen gleichkommt.

Parallel dazu verpflichtete sich Villepin auch, die Zunahme der öffentlichen Ausgaben auf das Ausmaß der Inflationsrate zu begrenzen. Allerdings wagte sich der neue Premier nicht bis zu dem Versprechen vor, das Defizit im Sinne des Stabilitätspaktes auf 3 Prozent des BIP zu begrenzen. Paris hatte die Defizitgrenze bereits 2002, 2003 und 2004 drei Mal in Folge überschritten.

Villepins Baupläne im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, durch welche die Investitionen in Frankreich angekurbelt werden sollen, werden allerdings nicht mit dem Staatshaushalt finanziert, sondern durch Privatisierungen. Von den 3,4 Mrd. Euro, die der jüngste Verkauf von 6,2 Prozent der Telekommunikationsgesellschaft France Telecom eingebracht hat, sollen 500 Mio. Euro der "Agentur für die industrielle Innovation" zugeteilt werden. Insgesamt wird sich die Regierung die Förderungsmaßnahmen für die Beschäftigung 4,5 Mrd. Euro kosten lassen. Diese Geldsumme umfasst allerdings auch Abgabenreduktionen für die Unternehmen und bereits geplante Arbeitsverträge zur Ankurbelung der Beschäftigung.

Die Finanzexperten haben die angekündigten Regierungsmaßnahmen begrüßt. Das Programm sein "seriös und pragmatisch", betonte Emmanuel Ferry von der Börsengesellschaft Exane BNP Paribas. Es sei möglich, die Versprechen einzuhalten, allerdings sei der erwartete "Elektroschock" ausgeblieben. Auch Marc Touati von Natexis begrüßte, dass die Maßnahmen "in die richtige Richtung gehen". Allerdings erklärte er sich "enttäuscht" darüber, dass keine Reform der Staatsverwaltung und kein Personalabbau im öffentlichen Dienst vorgesehen seien. (APA)