Berlin - Deutschland hat nach einem Zeitungsbericht
erstmals einem russischen Oppositionellen wegen seines Widerstands
gegen die Regierungspolitik von Präsident Wladimir Putin Asyl
gewährt. Wegen seines Engagements für die Oppositionsbewegung Jabloko
drohe dem 36-jährigen Oleg Liskin aus Moskau in Russland politische
Verfolgung, heißt es laut einem Bericht des Berliner "Tagesspiegel"
(Donnerstag-Ausgabe) in der Begründung des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge.
Liskin laufe Gefahr, "dass ihm strafbares Verhalten unterstellt
wird" und er ins Gefängnis komme. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) hatte Putin kürzlich bescheinigt, er sei ein
"lupenreiner Demokrat".
Dass ein russischer Staatsbürger in Deutschland politisches Asyl
bekomme, habe es noch nicht gegeben, sagte Peter Franck von amnesty
international (ai) dem Blatt: "Das ist ein Zeichen". Auch
Mitarbeitern von Pro Asyl ist dem Bericht zufolge kein solcher Fall
bekannt.
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses der Bundesregierung,
Christa Nickels (Grüne), sagte, sie halte die Entscheidung des
Bundesamtes demnach für "absolut adäquat". In Russland entwickele
sich ein "antidemokratischer Flächenbrand". Oppositionelle würden
kaltgestellt und die Menschenrechte mit Füßen getreten. So sei eben
der verurteilte Yukos-Gründer Michail Chodorkowski abgestraft worden,
weil er die Opposition unterstützt habe.
Der Vize-Fraktionschef der SPD und Koordinator für die
deutsche-russische Zusammenarbeit der Bundesregierung, Gernot Erler,
nannte die Entscheidung "sehr ungewöhnlich". Er glaube allerdings
nicht, dass in Russland jemandem Gefängnis drohe, nur weil er sich
für eine Oppositionspartei engagiere. Jabloko sei eine offiziell
zugelassene Partei, deren Mitarbeiter sich in Russland frei bewegen
könnten. Die russische Botschaft hält die Entscheidung der deutschen
Behörde laut der Zeitung für "vollkommen unerklärlich". Sie gebe
"Anlass zum Nachdenken." (APA)