London - Auf die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden haben Luxemburg als amtierender Ratspräsident und die Führungsmächte Deutschland und Frankreich mit einer Verschärfung des Tempos reagiert.

Noch vor der Übergabe des EU-Vorsitzes an Großbritannien am 1. Juli wollen sie eine Einigung über das Budget der Union für den Zeitraum 2007-2013 erzielen. Als das Hauptproblem schlechthin dafür wurde in den vergangenen Tagen der so genannte Briten-Rabatt dargestellt.

"I want my money back"

Unter ihrer gefürchtet streitbaren Premierministerin Margaret Thatcher ("I want my money back") hatten die Briten 1984 eine jährliche Rückvergütung aus dem Gemeinschaftshaushalt erstritten.

Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Briten auf Grund ihrer sehr kleinen Landwirtschaft die wenigsten Zahlungen aus dem Agrartopf erhielten und zudem das Lebensniveau im Vereinigten Königreich damals in vielen Bereichen noch unter kontinental-europäischen Standards lag.

Übersehen wurde vor 21 Jahren aber entweder eine Befristung des Briten-Rabatts oder ein Ausstiegsszenario. Seit das Vereinigte Königreich sich aber zu einem wirtschaftlichen Vorreiter in Europa gemausert hat und auch nicht müde wird, auf seine wesentlich besseren Konjunkturdaten als ein Beispiel für erfolgreiche Reformen zu verweisen, wird die Berechtigung des Rabatts von den EU-Partnern mit schöner Regelmäßigkeit in Zweifel gezogen.

"Unangemessen"

Es sei "wirklich nicht angemessen, dass eines der reichsten Länder Europas sich von den ärmsten Ländern Europas mitfinanzieren lässt", schimpfte der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen am Mittwoch.

4,6 Milliarden Euro erhalten die Briten derzeit im Jahr aus Brüssel rückerstattet. Wird das System unverändert fortgeschrieben, könnte der Betrag in der nächsten Haushaltsperiode auf bis zu sieben Milliarden Euro steigen.

Zweitgrößter Nettozahler

Dafür gibt es nach Ansicht der anderen 24 EU-Staaten keine Rechtfertigung. In London verweist man hingegen darauf, dass Großbritannien selbst unter Einrechnung des Rabatts immer noch der zweitgrößte Nettozahler der EU nach Deutschland ist.

So zahlte Großbritannien 2003 nach Angaben der EU-Kommission selbst unter Berücksichtigung des Rabatts netto fast eine Milliarde Euro mehr in die Brüssler Kassen als Frankreich ein. Die Briten profitieren von den diversen EU-Fonds nämlich vergleichweise wenig.

Daher ist die Bereitschaft Londons zu einem Einlenken trotz der nun errichteten Drohkulisse gering. Schatzkanzler Gordon Brown drohte bereits mit einem Veto, Premierminister Tony Blair verschärfte ebenfalls seine Rhetorik und bezeichnete den britischen Rabatt als "nicht verhandelbar".

"Kein Grund zur Eile"

Drohungen der EU-Partner, eine Einigung auf den luxemburgischen Vorschlag von 1,056 Prozent des Bruttonationaleinkommens könnte allein an der Sturheit Großbritanniens scheitern, verfangen auf der Insel nicht: "Wir haben bis 2007 Zeit für eine Einigung. Es besteht überhaupt keine Eile", sagte ein britischer Diplomat der "Financial Times".

Hinter dieser Haltung stehen zwei Motive. Einerseits drängt London massiv auf weitere schmerzhafte Einsparungen der EU. Allein in der Gemeinsamen Agrarpolitik glaubt man, sechs Milliarden Euro sparen zu können.

Prügelknabe

Andererseits fühlt sich London durch die Debatte der vergangenen Tage durch Paris und Berlin öffentlich vorgeführt. Innenpolitisch massiv geschwächt wollten Frankreichs Präsident Jacques Chirac und Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder nun den Briten den Schwarzen Peter zuschieben, um von ihrem eigenen Scheitern abzulenken, meint man in London.

Selbst die betont Europa-freundliche BBC kommentierte: "Immer wenn innenpolitisch nichts mehr geht, beginnt Frankreich eine Debatte über den Briten-Rabatt."

Spiel auf Zeit

Umso mehr haben die Briten Grund, auf Zeit zu spielen. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland stehen mit Nicolas Sarkozy und Angela Merkel schon Politiker zur Machtübernahme bereit, die klar signalisiert haben, dem britischen Modell wesentlich positiver gegenüberzustehen als Chirac und Schröder, die auf der Insel bestenfalls noch als Auslaufmodelle betrachtet werden.

Erst wenn Paris zu seriösen Einschnitten bei den Agrarsubventionen bereit ist, wird sich London in der Frage des Rabatts bewegen. Soweit wird man aber voraussichtlich selbst 2007 noch nicht sein. (APA)